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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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baut Judd also einen Himmelstisch. Also, wenn einer das schafft, dann der Erfinder der D-534-Lichterketten. Dein Blau, sage ich.
    Ja.
    So ein schönes Blau habe ich noch nie gesehen.
    Danke.
    Bunsenbrennerblau.
    Ich liebe Bunsenbrenner.
    Ich auch.
    Die Christmatech-Werkstatt hat nur ein kleines Schiebefenster. Die Sonne sinkt schnell, als würde jemand den Dimmer herunterdrehen.
    Judd packt eine neue Lichterkette in einen Karton.
    Wie ist mein Dad auf dich gekommen.
    Auf mich gekommen.
    Oder wo hat er die D-434er gekauft.
    Canadian Tire.
    Bei Canadian Tire gibt es Christamatech-Lichterketten.
    Er kniet, von Glühbirnen und Pizzakartons umgeben, auf dem Boden. Sieht zu mir hoch. Zwinkert. Also, ehrlich gesagt, gibt es sie nur auf dem Parkplatz von Canadian Tire. Und auch das nur, wenn ich zufällig dort stehe.
    Ich lache. Ich frage ihn, ob er sich an meinen Dad erinnert. Er sagt Nein. Ich gehe neben ihm in die Hocke. Aber du musst dich an ihn erinnern. Ein Engländer.
    Er verdreht einen Bindedraht. Und wie er ihn verdreht.
    Gut, das reicht. Ich lege meine Hand auf seine. Denk nach. Erinnerst du dich an ihn.
    Ein Engländer. Hm, ja, kann sein.
    Gut. Mehr wollte ich gar nicht. Ich richte mich wieder auf.
    Eine letzte Frage. Als du neulich auf der Party warst …
    Ich war nicht auf der Party.
    Hast du da zufällig jemanden mit einer Maus aus dem Haus kommen sehen.
    Du meinst, mit einer Computermaus.
    Nein, mit einer echten Maus. Einer weihnachtsfarbenen Maus.
    Weihnachtsfarben.
    Weiß. Mit roten Augen. Und der Zahl 18 auf dem linken Ohr.
    Nein.
    Er reicht mir einen Pizzakarton, auf den er mit schwarzem Filzstift D-634 geschrieben hat.
     
    Als wir die Eisentreppe wieder hinuntersteigen, erst ich, dann Judd, sehe ich durch die Stufen (die hauptsächlich aus Luft zu bestehen scheinen und weniger aus Eisen, nichts als Ringe aus Metall, die zittern und beben wie riesige Atome) nach unten und denke darüber nach, was meine Füße tun. Was man tunlichst unterlassen sollte, insbesondere wenn man Wobbly Flowers heißt. Auf einer Treppe verbietet es sich geradezu, darüber nachzudenken, was die eigenen Füße tun. Oder auch nicht.
    Ich stolpere.
    Ich merke, dass ich falle, wie im Traum. Ganz langsam. Kennen Sie das Gefühl. Man fällt wie in Zeitlupe, bis man plötzlich auf hört zu fallen. Und fliegt. Oder schwebt. Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist, warum wir solche Träume haben sollten, wenn unser Gehirn nicht wüsste , wie man fliegt. Wenn wir uns nicht an eine Zeit erinnern könnten, als unser Genom noch sehr viel kleiner war und wir Fliegen lernten, indem wir langsamer von den Bäumen fielen. Treppen sind die Bäume von heute.
    Aber ich fliege nicht. Ich falle. Sechzehn Stufen hinunter. Dann: Aufprall. Oder Impakt, wie der Fachmann sagt.
    Wie kann eine Treppe aus Luft bloß so wehtun.
    Wobbly Flowers hat heute zu viel C-A-F-F-E-E getrunken und zu wenig geschlafen, und von windigen Larifaritreppen wird ihr schwindlig, ihre Netzhäute sind verbrannt, und ihre Fantasie ist im Innern eines Zauberwürfels gefangen, und sie versucht, sechs Rätsel auf einmal zu lösen, von denen sie fünf nicht einmal sehen kann. Kein Wunder, dass sie gefallen ist.
    Und Judd kommt hinterdreingepurzelt.
    Nein, er steht wie eine Eins. Eilt aber immer zwei Stufen auf einmal die Treppe hinunter.
    O Gott. Er schiebt mir die Hände unter die Achseln. Immer schön senkrecht halten.
    Auf dem Treppenabsatz liegt ein Cowboyhut. Dass ich den aufhatte, war mir glatt entfallen.
     
    L inks von mir setzt Jim Ryan seinen Wagen vorwärts aus seiner Einfahrt. Er kurbelt sein Fenster herunter. Ich das meine.
    Alles klar.
    Ich strecke den Daumen hoch.
    Was um Himmels willen ist denn mit deinem Gesicht passiert.
    Halbsowild.
    Ich sitze in der Einfahrt, im LeBaron, und rühre mich nicht von der Stelle. Normal ist das nicht.
    Du hast den neuen Türknauf doch hoffentlich nicht auch schon wieder abgebrochen.
    Nö.
    Bist du sicher, dass dir nichts fehlt.
    Ja. Fahren Sie nur.
    Er fährt. Wenn auch widerwillig. Was wollte er mir damit sagen. Dass ich den alten Türknauf absichtlich abgebrochen habe. Ich betrachte mein Gesicht im Rückspiegel. An meinem linken Auge keimt ein Gerstenkorn. Was den Rest angeht: am besten gar nicht hinsehen.
     
    Onkel Thoby hat nicht angerufen. Wedge ist immer noch verschollen. Die Lakritzen, die ich vor sämtliche Heizungsschlitze und die Kellertür gelegt habe, weisen keine Bissspuren auf. Ich habe ihm Untertassen mit Wasser

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