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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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viel über Habermel?«, fragte Keira im Aufzug.
    »Ich habe ein Buch durchgearbeitet, das ich bei einem Antiquar im Marais gekauft habe.«
    »Wann?«
    »An einem Tag, an dem du mich schnöde im Stich gelassen hast, um den Abend mit Max zu verbringen, und an dem ich im Hotel geschlafen habe, erinnerst du dich? Ich hatte die ganze Nacht Zeit zum Lesen!«
     
    Ein Taxi setzte uns in einer Altstadtgasse ab, an deren Ende eine Uhrmacherei lag. Das Atelier war mit einer großen Glasfront versehen, sodass wir vom Hof aus einen alten Mann erkennen konnten, der an einer Werkbank saß und eine Pendeluhr reparierte. Der Mechanismus, den er mit peinlicher Genauigkeit zusammensetzte, bestand aus einer eindrucksvollen Menge winziger Teile, die ordentlich vor ihm aufgereiht waren. Als wir die Tür öffneten, ertönte eine Glocke. Es roch nach altem Holz und Staub. Der Mann hob den Kopf. Er trug eine Brille, deren Gläser seine Augen derart vergrößerten, dass er an ein seltsames Tier erinnerte.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
    Wim erklärte ihm, wir wollten ein Teil eines sehr alten Instruments nacharbeiten lassen.
    »Was für ein Teil?«, erkundigte sich der Uhrmacher und nahm seine seltsame Brille ab.
    »Einen Ring aus Messing oder Kupfer«, antwortete ich.

    Er wandte sich zu mir um und erklärte in einem Englisch mit deutschem Akzent: »Mit welchem Durchmesser?«
    »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen.«
    »Können Sie mir das alte Gerät zeigen, das Sie repariert haben wollen?«
    Als Keira zur Werkbank trat, hob der Uhrmacher die Arme und rief: »Um Gottes willen, nicht hier! Sie bringen mir alles durcheinander. Kommen Sie mit.« Er deutete auf einen Tisch in der Mitte des Raums.
    So viele astronomische Instrumente, wie hier gelagert waren, hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Mein Antiquar aus dem Marais wäre vor Neid erblasst. Astrolabien, Armillarsphären, Theodolite und Sextanten warteten in Regalen auf ihre Restaurierung.
    Keira legte die drei Fragmente auf den Tisch, den ihr der alte Mann zugewiesen hatte. Sie fügte sie zusammen und trat einen Schritt zurück.
    »Was für ein seltsames Instrument«, sagte der alte Uhrmacher. »Wozu dient es?«
    »Es ist eine Art Astrolabium«, erklärte ich.
    »In dieser Farbe und aus einem solchen Material? So etwas habe ich noch nie gesehen. Sieht aus wie Onyx, ist es aber ganz offensichtlich nicht. Wer hat das gebaut?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Sie sind merkwürdige Kunden, Sie wissen nicht, wer Ihr Instrument gefertigt hat, noch woraus es ist, Sie wissen nicht einmal, wozu es genau dient, aber Sie wollen es repariert haben … Wie soll man etwas reparieren, wenn man nicht weiß, wie es funktioniert?«
    »Wir wollen es vervollständigen«, sagte Keira. »Wenn Sie es sich genau ansehen, werden Sie feststellen, dass jedes einzelne Stück am äußeren Rand mit einer Rille versehen ist. Wir sind
sicher, dass sie für eine Art Ring gedacht war, vermutlich aus einer leitenden Legierung, die alle Teile zusammenhielt.«
    »Vielleicht«, sagte der Mann, dessen Neugier geweckt schien. »Sehen wir uns das mal näher an«, meinte er und hob den Kopf.
    Von der Decke hing an langen Kordeln eine Menge Werkzeug.
    »Ich habe zu wenig Platz und weiß nicht, wohin mit den Sachen, da muss man sich was einfallen lassen. Ah, da ist ja, was ich suche!«
    Er griff nach einem langen Zirkel mit auseinanderziehbaren Schenkeln, die mit einem graduierten Bogen verbunden waren, setzte seine Brille wieder auf und beugte sich über die Fragmente.
    »Sehr amüsant«, erklärte er.
    »Was?«, drängte Keira.
    »Der Durchmesser beträgt 31,4159 Zentimeter.«
    »Und was ist daran amüsant?«, wollte sie wissen.
    »Das ist genau der Wert von π mal zehn. Pi ist eine transzendente Zahl, ich nehme an, das ist Ihnen bekannt?«, fragte der alte Mann. »Sie beschreibt das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser oder die Fläche eines Kreises mit dem Radius 1, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Da muss ich wohl gerade in der Schule gefehlt haben«, gestand Keira.
    »Das ist nicht weiter schlimm«, meinte der Uhrmacher, »doch ich habe noch nie ein Instrument gesehen, das so exakt diesen Durchmesser hat. Das ist wirklich genial. Und Sie haben keine Ahnung, wozu es gedient haben könnte?«
    »Nein«, sagte ich schnell, um Keira gar nicht erst in Versuchung kommen zu lassen, mit der für sie so typischen Ehrlichkeit zu antworten.

    »Es ist nicht sehr kompliziert, einen Ring

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