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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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köstlich die sind.«
    Man bricht keine Abmachung und das noch weniger, wenn man sich am Ende der Welt befindet und der einzige Mensch in zehn Kilometer Umkreis ein Mann ist, der mit einem geladenen Gewehr herumläuft.

    »Nun sehen Sie mich nicht so an, als hätte ich die Absicht, Ihnen eine Ladung Schrot ins Hinterteil zu jagen. Das hier ist eine wilde Gegend, und man weiß nie, welchem Viehzeug man nachts begegnet. Darum sollten Sie auch in meiner Nähe bleiben. Halt, sehen Sie, wie heißt denn der, der da oben funkelt?«
    Es wurde ein langer Nachtspaziergang. Von Zeit zu Zeit deutete Thornsten auf einen Stern, eine Konstellation, einen Nebel. Ich sagte ihm die Namen und auch die einiger anderer, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar waren. Er schien regelrecht glücklich und war nicht mehr derselbe, dem wir am Nachmittag begegnet waren.
    Die Heringe waren gar nicht so schlecht, und die Kartoffeln, die er in der Glut gegart hatte, nahmen ihnen etwas von ihrem allzu salzigen Geschmack. Thornsten ließ Keira nicht aus den Augen, es musste schon lange zurückliegen, dass eine so hübsche Frau sein Haus betreten hatte, falls er in dieser abgelegenen Gegend überhaupt je eine empfangen hatte. Als wir etwas später am Kamin saßen und einen Schnaps tranken - einen richtigen Rachenputzer -, beugte Thornsten sich wieder über die Karte, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, und machte Keira ein Zeichen, sich neben ihn auf den Boden zu setzen.
    »Sagen Sie mir, was Sie wirklich suchen!«
    Keira antwortete nicht. Thornsten ergriff ihre Hände und betrachtete die Innenfläche.
    »Man sieht ihnen die Arbeit in der Erde an.« Dann drehte er die seinen um und sagte: »Auch diese hier haben viel gegraben.«
    »In welchem Teil der Welt haben Sie geforscht?«
    »Das spielt keine Rolle, es ist schon eine Ewigkeit her.«
     
    Spät am Abend führte er uns zu seinem Schuppen und ließ uns in seinen Pick-up steigen. Er setzte uns in hundert Meter Entfernung
von dem Bauernhof ab, wo wir übernachteten. Wir schlichen auf Zehenspitzen und im Schein eines Feuerzeugs, das er uns für hundert Dollar verkauft hatte, in unser Zimmer. Es war ein altes Zippo, das mindestens das Doppelte wert sei - so hatte er uns geschworen und uns gute Reise gewünscht.
    Ich hatte gerade die Kerze ausgeblasen und versuchte, mich in diesen kalten, feuchten Laken aufzuwärmen, als sich Keira plötzlich zu mir umdrehte und mir eine seltsame Frage stellte.
    »Kannst du dich erinnern, dass ich von den Pelasgern gesprochen habe?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht … Warum?«
    »Bevor er uns gesagt hat, wir sollten seine Schulden bei seinem alten russischen Freund begleichen, hat er erklärt: ›Also vergessen Sie Ihre Pelasger, das führt Sie auf eine falsche Fährte.‹ Sosehr ich mir auch unser Gespräch ins Gedächtnis zurückrufe, ich bin fast sicher, sie nicht erwähnt zu haben.«
    »Wahrscheinlich ohne es zu bemerken. Ihr beide habt euch sehr intensiv unterhalten.«
    »Hast du dich gelangweilt?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Ein seltsamer Typ, eigentlich eher faszinierend. Was ich gerne wüsste, ist, warum sich ein Holländer auf eine Insel im Norden Schottlands zurückzieht.«
    »Ich auch. Wir hätten ihn fragen sollen.«
    »Ich glaube nicht, dass er geantwortet hätte.«
    Keira fröstelte und schmiegte sich an mich. Ich dachte über ihre Frage nach. Wie sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, ich konnte mich genauso wenig erinnern, dass sie die Pelasger erwähnt hätte. Doch diese Frage beschäftigte sie schon nicht mehr, sie war längst eingeschlafen.

Paris
    Ivory ging am Seine-Ufer spazieren. Unter einer großen Weide sah er eine Bank, auf der er Platz nahm. Ein eisiger Wind war aufgekommen. Der alte Professor schlug den Mantelkragen hoch und rieb sich die Arme. Sein Handy vibrierte in seiner Tasche. Auf diesen Anruf hatte er den ganzen Abend gewartet.
    »Erledigt!«
    »Haben sie Sie ohne Schwierigkeiten gefunden?«
    »Ihre Freundin mag ja die hervorragende Archäologin sein, deren Qualitäten Sie so sehr gelobt haben. Bis die beiden mich aber gefunden hätten, wären Tage vergangen. Deshalb habe ich es so eingerichtet, dass ich ihnen unterwegs begegnet bin …«
    »Wie ist die Sache verlaufen?«
    »Genau, wie Sie es wollten.«
    »Und glauben Sie …«
    »Dass ich sie überzeugt habe? Ich denke schon.«
    »Ich danke Ihnen, Thornsten.«
    »Keine Ursache, ich gehe davon aus, dass wir jetzt quitt sind.«
    »Ich habe Ihnen nie gesagt, dass Sie mir etwas

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