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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Handy, ich zog es heraus und presste es ans Ohr.
    »Hast du meine Sachen durchwühlt?«, fragte Keira, deren Stimme ich kaum verstehen konnte.
    »Nein, natürlich nicht, warum sollte ich?«
    »Bist du sicher, dass du meine Tasche nicht geöffnet hast?«, flüsterte sie.
    »Das hast du mich gerade schon mal gefragt - nein.«
    »Hast du das Licht im Schlafzimmer angelassen?«
    »Nein, darf ich erfahren, was los ist?«

    »Ich glaube, ich bin nicht allein im Haus …«
    Das Blut schien mir in den Adern zu gefrieren.
    »Verlass das Haus, Keira!«, schrie ich in den Hörer. »Verschwinde sofort! Lauf zu dem kleinen Supermarkt an der Ecke Old Brompton Street. Dreh dich nicht um und warte dort auf mich, hörst du? Keira, hörst du mich?«
    Das Gespräch war unterbrochen, und noch ehe Walter begriff, was los war, drängte ich mich durch das Gewühl ins Freie. Ein Motorrad wollte gerade ein Taxi überholen, das im Stau steckte. Ich warf mich förmlich vor seine Räder und zwang den Fahrer anzuhalten. Ich erklärte ihm, es gehe um Leben und Tod, und versprach ihm eine reichliche Belohnung, wenn er mich auf der Stelle zur Kreuzung Old Brompton /Cresswell Garden Street führe. Er ließ mich aufsteigen und gab Gas.
    Wir rasten durch die Straßen - Marylebone und Edgeware Road, Marble Arch. Am Kreisverkehr drängten sich Autos, Busse und Taxis, ineinander verschachtelt wie die Dominosteine bei einer unentwirrbaren Partie. Mein Fahrer jagte über den Bürgersteig. Ich hatte nicht oft Gelegenheit gehabt, auf einem Motorrad zu sitzen, doch ich versuchte, mich so gut wie möglich mit ihm in die Kurve zu legen. Und weiter ging die wilde Jagd im strömenden Regen durch den Hyde Park - über Carriage Drive und Serpentine -, dann Exhibition Road zwischen zwei Autoschlangen hindurch, wobei unsere Knie hier und da eine Karosserie streiften, und schließlich über den Kreisverkehr an der U-Bahn-Station South Kensington. Jetzt erreichten wir endlich die Old Brompton Street, wo der Verkehr allerdings noch dichter war. An der Einmündung Queens Gate Mews beschleunigte mein Begleiter erneut, um noch bei Gelb über die Kreuzung zu kommen. Ein Lieferwagen fuhr an, ehe die Ampel auf Grün sprang, und der Zusammenstoß schien
unausweichlich. Das Motorrad kam ins Rutschen, mein Fahrer klammerte sich am Lenker fest, und ich fiel rücklings auf die Straße und rollte auf den Bürgersteig zu. Flüchtig glaubte ich, die entsetzten Gesichter der Passanten zu sehen, die Zeugen der Szene wurden. Zum Glück prallte ich gegen den Reifen eines parkenden Lastwagens. Benommen, aber unverletzt rappelte ich mich auf, der Motorradfahrer stand schon wieder und versuchte, seine Maschine aufzurichten. Ich nahm mir gerade noch Zeit, ihm zum Dank zuzuwinken, meine Straße war keine hundert Meter entfernt. Ich schrie, um mir Platz zu verschaffen, und rempelte ein Pärchen an, das mich daraufhin beschimpfte. Endlich sah ich den Supermarkt und betete, dass Keira dort auf mich wartete.
    Der Inhaber erschrak, als er mich in meinem Zustand auftauchen sah. Schweißüberströmt und keuchend musste ich zweimal ansetzen, bis er meine Frage verstanden hatte. Ohne seine Antwort abzuwarten, lief ich über den Gang auf die einzige Kundin zu, die sich im hinteren Teil des Ladens befand, und schloss sie liebevoll in die Arme. Die Frau schrie auf und verabreichte mir zwei schallende Ohrfeigen, vielleicht waren es auch drei. Bevor ich das Geschäft verließ, bat ich den Besitzer, die Polizei zum Cresswell Place 24 zu rufen.
    Dort traf ich Keira an, die auf der Brüstung vor meinem Haus saß.
    »Was ist denn mit dir los? Deine Backen sind feuerrot, bist du gefallen?«, fragte sie.
    »Ich bin an jemanden geraten, der so ähnlich aussah wie du … von hinten zumindest«, gab ich zurück.
    »Deine Jacke ist auch zerrissen, was ist bloß passiert?«
    »Genau das wollte ich dich auch gerade fragen.«
    »Ich fürchte, wir hatten in unserer Abwesenheit Besuch«, erklärte Keira. »Ich habe meine Tasche offen im Wohnzimmer
vorgefunden, und der Einbrecher war noch da, als ich hereinkam, ich habe seine Schritte im ersten Stock gehört.«
    »Hast du ihn weggehen sehen?«
    Ein Polizeiwagen hielt vor uns, und zwei Beamte stiegen aus. Ich erklärte ihnen, wir hätten allen Grund zu der Annahme, dass sich ein Einbrecher in unserem Haus befände. Sie wiesen uns an zu warten, während sie die Örtlichkeiten in Augenschein nahmen.
    Kurz darauf kamen sie wieder heraus und erklärten, wenn ein Einbrecher da

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