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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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man die Technik nicht beherrschte, war man tot.
    Es gab noch andere Dinge zu bedenken; man ging nicht einfach auf die Straße und brachte den erstbesten um, dem man begegnete. Regnerische Nächte oder solche, in denen es hagelte, kamen nicht in Frage; er brauchte für die blitzschnelle Kehrtwendung, sobald er an dem Opfer vorüber war, einigermaßen trockenen Boden. Am besten eignete sich eine stockdunkle Nacht, in der kein starker Wind an seinem aufgeknöpften Mantel zerrte. Und je weniger er bei sich trug, um so besser - dann konnte am Tatort auch nichts auf den Boden fallen.
    Die gleiche sorgfältige und wohldurchdachte Vorbereitung verwendete er auch bei seinem Pirschgang nach Gilberts Tod. Ein geistig beschränkter Mörder mochte vielleicht nach der Tat nach Hause gehen und sein Mahl verzehren oder in einem Restaurant zu Abend essen, ehe er heimging, und jeden Abend um die gleiche Zeit das Haus zu einem Erkundungsgang verlassen und nachher um die gleiche Zeit wieder zurückkehren. Früher oder später mußte dem Pförtner eines Mietshauses derlei Regelmäßigkeit auffallen.
    Aus diesem Grunde variierte Daniel Blank sein Kommen und Gehen und vermied jeden Anschein von Regelmäßigkeit. Er wußte, daß die Pförtner sich abends um acht ablösten. Blank kam und ging völlig zwanglos, und für gewöhnlich wurden sein Kommen und sein Gehen von dem mit Taxis oder Paketen oder sonstigen Aufgaben beschäftigten Pförtner überhaupt nicht wahrgenommen. Er ging auch nicht jeden Abend auf die Pirsch. Zwei Abende auf der Straße, einen Abend zu Hause. Dreimal hintereinander auf der Straße. Keine Regelmäßigkeit. Was auch passierte - Unregelmäßigkeit war das beste. Er dachte an alles.

    Es hatte etwas Merkwürdiges, fand er, daß bei diesem Vorhaben, das ihm gefühlsmäßig und ganz persönlich soviel bedeutete, seine ganze Begabung für eingehende Analyse, sorgfältiges Klassifizieren, ja, sein ganzes blutloses Können, das ihn im Alltag, im Beruf also, auszeichnete, so voll und ganz zum Tragen kam. Was bewies, so nahm er an, daß er immer noch in zwei Einzelwesen gespalten war; doch in diesem Fall kam es ihm zugute; er unternahm nicht einen Schritt, ohne die Folgen zu bedenken.
    Zum Beispiel ging er lange mit sich zu Rate, ob er bei einem Überfall einen Hut tragen sollte oder nicht. Bei diesem Wetter und in dieser Jahreszeit trugen die meisten Männer einen Hut.
    Doch er konnte ihm vom Kopf fliegen. Angenommen, ein Mordversuch mißglückte - und diese Möglichkeit mußte man ins Auge fassen —, und das Opfer lebte und konnte vor der Polizei aussagen. Zweifellos würde der Mann sich besser an ihn erinnern, wenn er einen Hut trug, als wenn er keinen aufhatte.
    Also setzte Daniel Blank bei seinen Streifzügen keinen Hut auf. So vorsichtig war er.
    Doch alle seine kühle Vorsicht ging beinahe flöten, als er sich nach Bernard Gilberts Tod zu seinen nächtlichen Erkundigungsgängen aufmachte. Es war in der dritten Nacht, da er ziellos herumschlenderte, daß ihm eine ungewöhnlich große Zahl von einzelnen, meist großen, wohlgewachsenen Männern auffiel, die durch die im Dunkel liegenden Straßen in seinem Viertel streiften. Es wimmelte nur so von potentiellen Opfern.
    Selbstverständlich konnte er sich irren: Weihnachten stand vor der Tür, und die Leute waren unterwegs und machten Einkäufe. Trotzdem... also folgte er aus der Ferne ein paar von diesen Einzelgängern. Sie bogen um die Ecke. Er bog um dieselbe Ecke. Sie bogen um eine weitere Ecke. Auch er bog um diese Ecke. Keiner von den dreien, denen er vorsichtig aus der Entfernung folgte, betrat je ein Haus. Sie gingen immer weiter, weder schnell noch langsam, die eine Straße hinauf, die andere hinunter.
    Er blieb unvermittelt stehen, halb lachend, und doch brach ihm vor Angst der Schweiß aus. Lockvögel! Polizisten. Was sollten sie sonst sein? Er ging auf der Stelle nach Hause, um nachzudenken.
    Er analysierte das Problem sehr eingehend:
1. Er konnte sein Tun sofort einstellen.
2. Er konnte es in einem anderen Viertel, vielleicht sogar in einer anderen Stadt fortsetzen.
3. Er konnte weitermachen wie bisher und die Herausforderung annehmen.
    Möglichkeit 1 wies er sofort von sich. Sollte er jetzt aufhören, nachdem er schon so weit gekommen war und der endgültige Preis bereits in erkennbarer Reichweite lag? Möglichkeit 2 bedurfte einer reiflicheren Überlegung. Konnte er die verborgene Waffe -den Eispickel — im Taxi, im Bus, in der U-Bahn oder in seinem Wagen

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