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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Abschluß, das Ende all seiner Betrachtungen. Aber er wollte, konnte es nicht. Er dachte an Tony Montfort, was sie getan hatten, was sie vielleicht noch tun konnten. Doch der Traum verflüchtigte sich, verscheucht wie eine Fliege oder sonst was, das vielleicht stach. Er dachte an Valenter, an einen seiner Lehrer im College, der nach Erde gerochen hatte, und daran, in ein Damenwäschegeschäft zu gehen und sich ein paar weiße Bikinihöschen zu kaufen. Weil sie besser paßten? Einmal hatte ihm in einem Bus auf der 5th Avenue ein Mann zugelächelt.
    Er hatte noch immer seine nächtlichen Träume, noch immer seine Tagträume, aber er war sich bewußt, daß die Szenen immer kürzer wurden. Das heißt, sie gingen nicht mehr ineinander über, von der Nacht in den Tag, die „Traumhandlungen" waren verkürzt, die Visionen gingen rasch vorüber. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, und er bekam es schon mit der Angst zu tun und ging zum Arzt, der ihm ein leichtes Beruhigungsmittel verschrieb. Es wirkte wie eine milde Schlaftablette. Sein Geist jedoch arbeitete noch immer sprunghaft.
    Er konnte sich nicht tief genug durchdringen. Er log sich etwas vor; er gab es zu; er ertappte sich dabei. Es war schwer, sich nichts vorzumachen. Er mußte auf der Hut sein, nicht nur täglich oder stündlich, sondern jede Minute. Er mußte jede Handlung in Frage stellen, jedes Motiv. Sondieren. Durchdringen. Wenn er dahinterkommen wollte... wohinter?
    Er beschwichtigte seinen geschwollenen Penis mit seiner mit Vaseline eingefetteten Hand, drang mit steifem, gen Himmel weisenden Zeigefinger durch seinen eigenen After, blickte mit weitgeöffnetem, leerem Mund zur weißen Decke empor und wartete auf die Seligkeit. Pulsierende Wärme hüllte ihn schließlich ein, aber nicht das, wonach er suchte.
    Es gab mehr. Er wußte, daß es mehr gab. Er hatte es erfahren, und er machte sich auf, es abermals zu finden, badete sich, besprühte sich mit Eau de Cologne, zog sich an und bereitete sich auf ein Zusammentreffen vor.

32
    Etwa eine Woche nach Bernard Gilberts Tod unternahm Daniel Blank seinen ersten „Pirschgang". So wie das Klettern, mußte auch das gelernt werden. Man mußte die Handgriffe meistern, seine Kraft anspannen und natürlich den eigenen Mut auf die Probe stellen, indem man bis an die Grenze des Möglichen vorstieß, aber nicht darüber hinaus. Man lernte nicht Morden, indem man ein Buch las, genausowenig wie man Schwimmen oder Radfahren lernte, indem man sich graphische Darstellungen ansah.

    Eine Reihe von wertvollen Techniken hatte er sich bereits angeeignet, und er war überzeugt, daß die Art seines Vorgehens grundsätzlich richtig war: der rasche, federnde Gang; dem anderen ins Auge sehen und ihm zulächeln; überhaupt der Anschein von Gelassenheit, der Anschein des „guten Nachbarn". Dann das blitzschnelle Herumfahren und der Schlag.
    Natürlich hatte er verschiedene Fehler gemacht. Beim Überfall auf Lombard zum Beispiel hatte er seine schwarzen Kalbslederschuhe mit Ledersohle angehabt, die er gewöhnlich trug. Im selben Augenblick, als er zuschlug, war er mit dem rechten Fuß auf dem Pflaster ausgerutscht. Es war glücklicherweise kein ernster Fehler gewesen, aber er hatte doch immerhin das Gleichgewicht verloren, und der Eispickel war ihm, als Lombard vornüber stürzte, aus der Hand gerissen worden.
    Deshalb hatte Blank vor der Ermordung Bernard Gilberts ein Paar besonders leichte Schuhe mit Kreppsohlen gekauft. Es ging auf Dezember zu, und bei kaltem Regen, Hagel und Schneegestöber gaben Schuhe mit Kreppgummisohlen einen wesentlich besseren Halt und waren rutschfester.
    Ähnlich hatte sich bei dem Überfall auf Lombard der Stiel des Eispickels in seiner schwitzenden Hand gedreht. Deshalb hatte er vor dem Überfall auf Gilbert den Ledergriff mit feinem Sandpapier leicht aufgerauht. Das half zwar etwas, aber ganz zufrieden war er noch nicht. Er kaufte sich ein Paar schwarze Wildlederhandschuhe, die bei diesem frühen Winterwetter bestimmt nicht besonders auffielen. Einen besseren Halt als zwischen Wildlederhandschuh und dem aufgerauhten Leder am Stiel des Eispickels konnte man sich kaum wünschen.
    Das waren selbstverständlich Kleinigkeiten, und jeder, der noch niemals eine Bergbesteigung unternommen hat, würde sie vermutlich achselzuckend als belanglos abtun. Aber ein guter Aufstieg hängt von solchen Kleinigkeiten ab. Man konnte soviel Mumm haben, wie man wollte — wenn an der Ausrüstung etwas fehlerhaft war oder

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