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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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über eine längere Strecke hinweg unentdeckt bei sich führen? Oder Möglichkeit 3. Konnte er es riskieren?
    Zwei volle Tage lang dachte er über seine verschiedenen Möglichkeiten nach, und als ihm die Lösung schließlich kam, klatschte er sich auf die Schenkel, lächelte und schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit. Denn ihm ging auf, daß er das Problem auf männliche Art angegangen war - als ob ein solches Problem sich auf diese Weise lösen ließe.
    Von dieser Denkweise, von AMROK II, hatte er sich längst so weit entfernt, daß er sich schämte, wieder einmal darauf hereingefallen zu sein. Das Wichtigste hierbei war, sich auf seinen Instinkt zu verlassen, seinen Leidenschaften zu folgen, das zu tun, wozu sie ihn zwangen, unabhängig von kalter Logik und blutloser Vernunft. Wenn er am Ende die Wahrheit finden sollte, dann aus dem Herzen, aus den Eingeweiden heraus.
    Hinzu kam das Wagnis - die süße Verlockung des Wagnisses.
    Hier klaffte ein Widerspruch, der ihn verwirrte. Bei der Planung des Verbrechens war er bereit, den kühlen, nüchternen Verstand einzusetzen. Wenn es jedoch um den Sinn der Tat ging, mied er bewußt diese Methode des Denkens und suchte die Antwort in „Herz und Eingeweiden".
    Mehrere Abende beobachtete er die Lockvögel. Soweit er feststellen konnte, folgten den Kriminalbeamten keine Kollegen als „Rückendeckung", auch keine unauffälligen Polizeiautos. Offenbar hatte jeder Lockvogel einen Häuserblock im Quadrat zugewiesen bekommen und hatte die Anweisung, eine Straße hinauf- und die andere hinunterzugehen, also einmal von Osten nach Westen, das andere Mal von Westen nach Osten, dann einen Bogen zu schlagen, um auch die von Norden nach Süden verlaufenden Straßen abzuschreiten. Völlig unerwartet traf ihn, als einer der Lockvögel in einen im Dunkel liegenden Ladeneingang trat, die Entdeckung, daß sie mit winzigen Sprechfunkgeräten ausgerüstet waren und offensichtlich ständig mit irgendeiner Zentrale in Verbindung standen.
    Er kam zu dem Schluß, daß das von keiner großen Bedeutung sei.
    Sechzehn Tage nach dem Überfall auf Bernard Gilbert kam Daniel Blank direkt von der Arbeit nach Hause. Es war ein kalter, trockener Abend, und die Mondsichel war nur ab und zu durch die Wolken zu sehen. Es war leicht windig, und eine Ahnung von Regen oder Schnee lag in der Luft. Sonst aber war es ein ruhiger, frostiger Abend. Dazu kam, daß das um die Ecke liegende Kino einen Film zeigte, den Daniel Blank bereits bei der Uraufführung vor einem Monat am Times Square gesehen hatte.
    Er mixte sich einen Drink und sah sich im Fernsehen die Nachrichten an. Amerikaner töteten Vietnamesen. Vietnamesen töteten Amerikaner. Juden töteten Araber. Araber töteten Juden, Protestanten töteten Katholiken, Katholiken töteten Protestanten. Pakistani töteten Inder, Inder töteten Pakistani. Andere Neuigkeiten gab es nicht. Er briet sich zum Abendessen eine Scheibe Kalbsleber und aß Endiviensalat dazu. Den Kaffee nahm er mit ins Wohnzimmer. Er trank ihn mit einem Kognak und lauschte dabei einer Bandaufnahme des Dritten Brandenburgischen Konzerts. Dann zog er sich aus, legte sich ins Bett und schlief sofort ein.
    Als er aufwachte, war es kurz nach neun. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, zog einen schwarzen Anzug an, ein weißes Hemd und eine unauffällig gemusterte Krawatte. Dazu die Kreppsohlenschuhe. Er zog seinen Mantel an und streifte die schwarzen Wildlederhandschuhe über. Den Eispickel hielt er in der durch den Taschenschlitz gesteckten Linken, die Lederschlaufe hatte er ums Handgelenk gelegt.
    Der Pförtner Charles Lipsky hatte heute abend Dienst, er stand auf, schloß die Tür auf und ließ Blank hinaus. Die Haustür blieb von acht Uhr abends, wenn die Pförtner sich ablösten, bis um acht am nächsten Morgen abgeschlossen.

    „Charles", fragte Blank wie beiläufig, „wissen Sie zufällig, was es im Kino drüben auf der 2nd Avenue gibt?"
    „Leider nein, Mr. Blank."
    „Na, mal sehen, vielleicht gehe ich mal hinüber. Gibt nichts Rechtes im Fernsehen heute abend,"
    Er schlenderte hinaus. So natürlich, so einfach war das.
    Er ging tatsächlich hinüber zu dem Kino, um einen Blick auf das Schild mit den Anfangszeiten zu werfen. Die nächste Vorstellung begann in einer halben Stunde. Er beschloß, jetzt sofort hineinzugehen. Das Geld für die Eintrittskarte hatte er abgezählt in der rechten Hosentasche bereit. Er kaufte eine Karte und setzte sich in die letzte Reihe, ohne

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