Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Linken unter dem offenen Mantel haltend. Den rechten Arm und die behandschuhte Hand schwingend. Das beherzte die Straße Entlanggehen. Das nachbarliche Lächeln. Und das freundliche Nicken.
    „Guten Abend!"
    Er war mittelgroß, mit breiter Brust und breiten Schultern. Nicht schön, aber von einem gewissen leicht verrohten, guten Aussehen. Überraschend jung. Ein körperliches Bewußtsein, eine gewisse Anspannung in der Art, wie er ging. Die Arme vom Körper etwas weggestreckt, die Finger gekrümmt. Er sah Blank fest an. Sah ihn lächeln. Sein ganzer Körper schien sich zu entspannen. Er nickte, lächelte jedoch nicht.
    Jetzt waren sie auf gleicher Höhe. Die rechte Hand fuhr unter den offenen Mantel. Das reibungslose, geübte Übergeben des Eispickels an die freie Rechte. Gewicht auf den linken Fuß verlagern. So behende herumfahren wie ein Ballettänzer. Eine ursprüngliche Kunstform. Mord als Kunst! Jetzt das Gewicht auf den rechten Fuß verlagern. Den rechten Arm heben. Der Geliebte ahnt, hört, hält inne, setzt seinerseits zur Wendung an in diesem wunderbaren pas de deux.
    Und dann! Ja! Auf die Zehenspitzen. Den Körper im Zuschlagen gekrümmt. Alles: Fleisch, Knochen, Sehnen, Muskeln, Blut, Glied, Kniescheiben, Ellbogen und Bizeps, sein ganzes Ich... er gab es hin, rückhaltlos. Das Knirschen und der süße, dumpfe Aufprall, der ihm Hand, Handgelenk, Arm und Oberkörper erzittern ließ und ihm bis in die Eingeweide und bis in die Hoden ging. Das Eindringen! Und die Ekstase! Hinein in das graue Wunder und Geheimnis des Menschen. Ach!
    Den Eispickel herausreißen, noch während der Körper fiel und die Seele rauschend zum bewölkten Himmel aufstieg. Nein! Die Seele in Daniel Blank einging, eins wurde mit seiner Seele, die beiden Seelen einander umfingen.
    Rasch beugte er sich vor. Kein Blick auf den eingeschlagenen Schädel. Morbide war er nicht! In einem Lederetui fand er die Dienstmarke. Zwar brauchte er seine Taten Celia nicht mehr zu beweisen, aber dies hier war für ihn. Keine Trophäe, sondern ein Geschenk vom Opfer. Auch ich liebe dich!
    So einfach war das! Unglaublich, welches Glück er hatte. Keine Zeugen. Kein Rufen, kein Schreien, kein Alarm. Der Mond sah kurz hinter den Wolken hervor und verschwand dann wieder.
    Ein leichter Wind wehte. Die Nacht. Irgendwo, unsichtbar, Sterne, die unabänderlich ihre Bahn zogen. Vielleicht schien morgen die Sonne. Nichts vermochte den Lauf der Gezeiten aufzuhalten.
    „Guter Film, Mr. Blank?" fragte Charles Lipsky.
    „Mir hat er gefallen!" Daniel Blank nickte strahlend. „Ich habe mich gut unterhalten. Sie müssen ihn sich ansehen."
    Er unterzog sich dem nunmehr bereits vertrauten Drill: Abspülen und Sterilisieren des Eispickels, dann den Stahl einölen. Er verstaute ihn wieder im Schrank auf der Diele. Die polizeiliche Dienstmarke stellte ein Problem dar. Lombards Führerschein und Gilberts Firmenausweis hatte er in der obersten Kommodenschublade unter einen Stapel Taschentücher gelegt. Es war außerordentlich unwahrscheinlich, daß die Zugehfrau oder sonst irgend jemand den Stapel jemals hochhob. Aber trotzdem...
    Er schlenderte durch die Wohnung auf der Suche nach einem besseren Versteck. Sem erster Einfall war, Ausweise und Dienstmarke hinter drei von den größeren Spiegeln im Wohnzimmer mit Tesafilm festzukleben. Aber der Tesafilm trocknete womöglich, die Geschenke fielen herunter, und dann...
    Schließlich kam er doch wieder auf die Schlafzimmerkommode zurück. Er zog die oberste Schublade heraus und legte sie aufs Bett. Zwischen der Unterseite des Bodens und den Gleitschienen war ein flacher Zwischenraum. Der Personalausweis und die Dienstmarke paßten ohne weiteres in einen großen weißen Umschlag. Falls der Tesafilm trocknete und der Umschlag herunterfiel, konnte er nur in die zweite Schublade fallen. Und er konnte, wenn er wollte, täglich kontrollieren, ob er auch noch festklebte. Oder die Klappe des Umschlags aufmachen und sich seine Geschenke betrachten.
    Endlich hatte er alles erledigt - die Waffe gereinigt, das Beweismaterial versteckt, alles getan, was die Vernunft erforderte.
    Er nahm gemächlich ein Bad, schrubbte sich, rieb sich dann mit duftendem Öl ein. Er stand auf der Badezimmermatte und starrte sein Bild im mannshohen Spiegel an. Aus unerfindlichem Grund begann er, die Bewegungen einer Stripteasetänzerin nachzuahmen: die Hände im Nacken verschränkt, die Knie leicht angewinkelt, zuckte er mit dem Becken und ließ die Hüften kreisen.

Weitere Kostenlose Bücher