Die erste Todsuende
werde ich es am Ende erkennen.
Bei dieser ganzen Selbstbeobachtung, bei dieser intensiven Suche nach der ewigen Wahrheit, über die Sie vielleicht lachen - haben Sie den Mut, es zu versuchen? -, ist das Unglaubliche, das Überwältigende, daß es mir gelungen ist, das Bild unversehrt intakt zu halten, das ich der Welt gegenüber zur Schau trage. Das heißt, ich funktioniere: Ich wache jeden Morgen auf, nehme ein Bad und kleide mich mit nachlässiger Eleganz, fahre mit dem Taxi ins Büro und versehe dort meine Arbeit, wie ich glaube, gut und wirksam. Natürlich ist es eine Scharade, aber ich spiele sie gut. Wenn ich ehrlich bin, vielleicht nicht ganz so gut wie früher... Wahre ich den Schein, tue ich, was getan werden muß? Komme ich meinen Pflichten nach? Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ein paarmal schien es mir, als ob die Leute von der Computer-Sonderabteilung XI mich ein bißchen sonderbar ansähen.
Und eines Tages trug meine Sekretärin, Mrs. Cleek, einen Hosenanzug - das ist bei Javis-Bircham erlaubt -, und ich machte ihr Komplimente, wie gut er ihr stehe. Obwohl er eigentlich viel zu eng war. Als sie irgendwann im Lauf des Tages neben mir am Schreibtisch stand, während ich ein paar Briefe unterschrieb, langte ich plötzlich hin und strich ihr über die Scham, die durch den Zwickel der Hose deutlich zu erkennen war. Ich habe nicht zugegriffen oder gezwickt, ich habe nur kurz darüber gestrichen. Sie trat einen Schritt zurück und stieß einen kleinen Schrei aus. Ich wendete mich wieder meinen Unterschriften zu: Keiner von uns verlor ein Wort über den Vorfall.
Da war noch etwas, es scheint kaum der Erwähnung wert. Ich hatte nachts im Schlaf einen Traum, der mit einem Tagtraum verschmolz; es ging darum, irgend etwas mit dem Computer, AMROK II, zu tun. Nun ja, ich nehme an, ich wollte ihn wohl zerstören. Wie, wußte ich nicht. Es war nur ein flüchtiger Gedanke. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Aber immerhin kam mir die Idee. Ich glaube, ich suchte nach mehr Menschsein, nicht nach weniger. Nach mehr Menschsein mit all seinem schrecklichen Geheimnis.
Jetzt müssen wir überlegen, warum ich diese Männer tötete und warum ich (Seufzer! Schluchzen! Aufstöhnen!) meiner Meinung nach wieder töten werde. Nun... um ihm nahezukommen, so nahe, wie nur irgend möglich. Denn Liebe - ich meine körperliche Liebe oder romantische Liebe - ist nicht die Antwort, oder? Das ist nur ein armseliger, billiger Ersatz und nie restlos befriedigend. Denn so gut die körperliche Liebe oder die Seelenfreundschaft auch sein mag, die Partner haben immer noch, jeder für sich, ihr geheimes Inseldasein.
Aber wenn man tötet, dann schwindet der Raum dazwischen, ist die Teilung aufgehoben, ist man eins mit dem Opfer. Ich nehme nicht an, daß Sie mir glauben, aber es ist so. Der Akt des Tötens ist ein Liebesakt, ein Akt äußerster Liebe, und obwohl man keinen Orgasmus hat, überhaupt sexuell nichts empfindet - jedenfalls ich nicht - , dringt man, ja, dringt man wirklich in den anderen ein, und mittels dieser gewalttätigen Vereinigung — die schmerzhaft sein mag, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde - dringt man in alle Menschen ein, in alles tierische, vegetative und mineralische Leben. Man wird tatsächlich eins mit allem: den Sternen, Planeten, Galaxien, der großen Dunkelheit dahinter und...
Ach ja. Darum, um dieses letzte Mysterium, geht es mir, danach suche ich. Ich bin überzeugt, daß man weder in Büchern, noch im Bett, noch im Gespräch und auch nicht in der Kirche diese plötzliche Eingebung, diese blitzhafte Erleuchtung erfährt. Um die muß man hart ringen, aber dann erlebt man sie auch - in sich.
Manchmal überlege ich, ob es nicht eine Art Masturbation ist, wie wenn ich nackt, mit goldenen Ketten um Handgelenk und Taille, vor meinem mannshohen Spiegel stehe, meinen Körper betrachte und mich berühre. Welch ein Wunder! Doch ich komme immer und immer wieder zurück auf das, was ich suche. Und das hat nichts mit Celia oder Tony oder Mortons oder meinem Beruf oder sonst irgend etwas zu tun, außer mit mir. Mir! Darin liegt die Antwort. Und wer könnte sie freilegen außer mir? So versuch ich es immer wieder. Doch eines muß ich Ihnen gestehen: Wenn ich mein Leben noch einmal zu leben hätte, dann würde ich mir wünschen, nackt in der Sonne zu liegen und Frauen dabei zuzusehen, wie sie ihren Körper einölen. Mehr habe ich nie gewollt."
Hier hätte er aufhören sollen. Es war ein logischer
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