Die erste Todsuende
ansehen. Sie fragten, ob ich alles eingetragen hätte, und ich sagte ja."
„Und das war alles?"
„Ja, Edward. Was hat das alles... Nein, halt. Ich habe Sie aufgezogen. Ich sagte, daß wir es nur mit erfolglosen Kriminellen zu tun hätten, denn wenn sie gut wären, hätten sie ja kein Strafregister, und sie lachten und sagten, ja, da hätte ich wohl recht."
Eine Weile blieb er stumm. „Monica, Sie sind ein Schatz!" Er lachte, sagte es leichthin.
„Soll das heißen, daß es das war, was Sie wissen wollten?"
„Ja, genau das war es." Seine ziellos schweifende Erinnerung kehrte zurück. Ihm fiel wieder ein, wie er im Revier auf der Treppe mit Lieutenant Jeri Fernandez gesprochen hatte; damals, als die Kriminalabteilung des Reviers auseinandergerissen wurde.
„Wohin hat man Sie denn gesteckt?" hatte er gefragt.
„In die Abteilung Safe-, Dachboden- und Lastwagen-Einbrüche", hatte Fernandez voller Abscheu gesagt.
Jetzt rief Delaney Fernandez an. Zwar mußte er es achtmal klingeln lassen, doch dann nahm der Lieutenant den Hörer ab.
„Lieutenant Fernandez."
„Hier Captain Edward X. Delaney."
Eine Sekunde herrschte Schweigen, doch dann kam es jubelnd: „Captain! Da ist aber eine Freude! Wie geht es Ihnen, Captain?"
„Danke gut, Lieutenant. Und Ihnen?"
„Ach, beschissen, Captain! Das neue System klappt einfach nicht. Lassen Sie sich's von mir gesagt sein. Ist alles Quatsch. Glauben sie etwa, ich wüßte, was so passiert? Nicht die geringste Ahnung. Das weiß überhaupt niemand. Wir sind hier aus allen Revieren der Stadt zusammengezogen worden. Man hat uns hier reingesteckt, und nun sollen wir uns plötzlich in diesem Textilviertel auskennen: Diebstahl, Entführungen, Betrug, Giftmorde, Safeknacken - was Sie wollen, Captain, das ist eine verteufelte Sache, sag ich Ihnen! Eine verteufelte Sache!"
„Nehmen Sie's nicht so schwer", sagte Delaney beschwichtigend. „Haben Sie etwas Geduld. Vielleicht spielt es sich noch ein."
„Von wegen sich einspielen!" rief Fernandez. „Gestern schnappten zwei von meinen Leuten einen Farbigen, der aus einem großen Postauto Pakete stahl. Haben Sie da noch Töne? Am hellichten Tag. Das Postauto stand Ecke 34th Street und Madison Avenue, und dieser Kerl klemmt sich einfach zwei schwere Pakete untern Arm und haut damit ab!"
„Lieutenant" sagte Delaney geduldig, „ich rufe Sie aus einem ganz bestimmten Grund an: Ich brauche Ihre Hilfe."
„Hilfe?" rief Fernandez. „Aber, Captain, sagen Sie, worum es geht, und es ist getan. Das wissen Sie doch. Um was geht's?"
„Ich erinnere mich, daß sie mir, kurz bevor die Kriminalabteilung im Revier aufgelöst wurde, sagten, Sie hätten alle Ihre Unterlagen ausgemistet und sie, je nach Art der Vergehen, an die neugebildeten Dezernate geschickt."
„Ja, das stimmt, Captain. Hat mich zwei Wochen gekostet."
„Hm, und was haben Sie mit dem restlichen Material gemacht?
Mit den Anzeigen der Nörgler, den Hinweisen, den Protokollbüchern und so weiter?"
„Dieser ganze Mist? Das meiste davon haben wir weggeschmissen. Was sollten wir damit anfangen? Ausgenommen die Unterlagen vom letzten Jahr. Ich dachte, die könnten vielleicht noch mal irgend jemanden interessieren, und deshalb haben wir die Unterlagen vom letzten Jahr aufgehoben."
„Ach? Und was haben Sie damit gemacht?" fragte Delaney.
„Die liegen im Keller der Wache. Wenn Sie die Treppe runtergehen, ist doch rechterhand der Umkleideraum, links die Zellen. An den Zellen vorbei, auch an der Ausnüchterungszelle, kommen Sie dann rechts um die Ecke in den Gang, der zur Hintertür führt."
„Ja, ich erinnere mich."
„An diesem Gang liegt die Besenkammer für die Putzfrauen und weiter hinten, fast bei der Tür, ist ein kleiner Abstellraum mit allem möglichen Kram darin. Ich glaub, er wurde früher als Folterkammer benutzt."
„Ja." Delaney lachte. „Schon möglich."
„Dorthin haben wir jedenfalls die Unterlagen gebracht. Aber nur die vom letzten Jahr. Hilft Ihnen dieser Hinweis?"
„Sehr sogar. Haben Sie vielen Dank, Lieutenant."
„Gern geschehen, Captain. Darf ich Sie meinerseits um einen Gefallen bitten?"
„Natürlich."
„Ein einziges Wort, Captain: HILFE! Sie haben doch Einfluß und sind angesehen. Holen Sie mich hier raus. Bitte. Ich geh hier ein. Ich will wieder raus auf die Straße. Da kenn ich mich aus. Können Sie das deichseln, Captain?"
„Wohin möchten Sie?"
„Mord- oder Einbruchsdezernat", sagte Fernandez ohne zu überlegen. „Wenn's sein muß,
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