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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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auch ins Rauschgiftdezernat. Daß ich nicht auf die Sitte hoffen darf, weiß ich, dazu bin ich nicht hübsch genug.."
    „Hm..." machte Delaney bedächtig. „Versprechen kann ich nichts, aber ich will sehen, was ich tun kann. Vielleicht läßt sich etwas machen."
    „Das würde mich freuen", sagte Fernandez fröhlich. „Vielen Dank, Captain."
    „Ich danke Ihnen, Lieutenant."
    Er legte auf, starrte auf das Telefon und dachte über das nach, was er von Fernandez erfahren hatte. Selbstverständlich war es nur eine vage Vermutung, aber mehr als einen Tag würde er nicht dazu brauchen, und es war immer noch besser, als sich mit einer der Möglichkeiten abzufinden, die er auf seiner Liste stehen hatte und von denen die meisten ohnehin nichts weiter versprachen als harte Arbeit, bei der wahrscheinlich nichts herauskam.
    Als Monica Gilbert ihre spöttisch gemeinte Bemerkung gemacht hatte, gute Kriminelle wiesen eben kein Strafregister auf, hatte er erkennen müssen, daß das stimmte. Was Monica jedoch nicht ahnte, war, daß zwischen der Freiheit eines Verbrechers und der formellen Anklage ein Zwischenreich existierte: wegen Mangel an Beweisen fallengelassene Anklagen und Freilassungen, außergerichtliche Vergleiche, fallengelassene Beschwerden, sei es wegen Bestechung oder Gewaltandrohung, verschleppte Verfahren oder solche, die immer wieder hinausgeschoben wurden, weil die Gerichte völlig überlastet waren und an Personalmangel litten.
    Bei den meisten von diesen abgewürgten Verfahren handelte es sich um kleinere Fische, oder sie waren auf Grund der Erfahrungen und des gesunden Menschenverstandes des mit der Untersuchung beauftragten Beamten im Sande verlaufen. Zwei Männer in einer Kneipe, beide volltrunken, fangen an, mit den Fäusten aufeinander loszugehen. Die Polizei wird gerufen. Beide Beteiligten wollen, daß der andere verhaftet wird, weil er ihn angegriffen habe. Was soll ein Polizeibeamter da tun? Wenn er klug ist, putzt er beide herunter, droht, sie beide wegen Hausfriedensbruch festzunehmen, und läßt sie, möglichst in verschiedene Richtungen, laufen. Das tut niemandem weh, erspart eine Menge Arbeit, man braucht keine formelle Anklage zu erheben, keine Begründung vorzulegen, verliert im Gerichtssaal keine Zeit - wer hätte schon was davon?

    Wenn es sich jedoch um etwas Ernsteres als um eine Rauferei in einer Kneipe handelt, wenn Sachschaden entsteht oder irgendwem offenkundig Unrecht geschieht, läßt der mit der Untersuchung beauftragte Beamte wahrscheinlich ein wenig mehr Umsicht walten. Die Sache kann immer noch außerhalb des Gerichts beigelegt werden, wobei der Polizeibeamte Richter und Geschworener in einer Person ist, sei es dadurch, daß die Anklage bewußt zurückgenommen wird und dem Geschädigten von dem Beschuldigten auf der Stelle eine bestimmte Summe gezahlt wird oder daß beide Teile unter der Androhung schwerwiegenderer Anklagen seitens des mit dem Fall befaßten Beamten sich untereinander einigen. Oder schließlich dadurch, daß der Polizeibeamte bestochen wird.
    Das nennt man „Straßenjustiz", und auf jeden Fall, der in einem walnußgetäfelten Gerichtssaal zur Verhandlung kommt, kommen täglich hundert Fälle, die auf der Straße bereinigt werden und bei denen der Polizeibeamte den Vorsitz führt.
    Ja nachdem, wie ein Polizeibeamter die Wichtigkeit eines Falles einschätzt, wird er, sofern er gewissenhaft ist, sich entscheiden, ob er einen schriftlichen Bericht darüber verfaßt oder nicht. Falls es sich bei dem betreffenden Beamten jedoch um einen in Zivil arbeitenden Kriminalbeamten handelt und falls es sich bei den Beteiligten um Angehörige einer offensichtlich höheren Gesellschaftsstufe handelt und falls irgendwer Anzeige erstattet hat und ein oder mehrere Male jemand auf die Polizeiwache gekommen ist, dann wird der Beamte fast mit Sicherheit einen schriftlichen Bericht über das Vorgefallene machen; wer was getan hat, wer was gesagt hat, wie groß der angerichtete Schaden ist.
    Obwohl er wußte, wie gering die Chancen waren, irgend etwas von Bedeutung unter dem zurückgelassenen Wust zu finden, folgte Delaney seinem Polizisteninstinkt und rief Lieutenant Marty Dorfman an.
    Die einleitenden Worte waren auf beiden Seiten freundlich, aber kühl. Delaney erkundigte sich nach dem Ergehen von Dorfmans Familie, und der Lieutenant wollte wissen, wie es Mrs. Delaney gehe. Erst als der Captain fragte, wie es auf der Revierwache aussehe, bekam Dorfmans Stimme etwas Zorniges und

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