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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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und ruf an."
    Dankbar blickte er sie an. „Es dauert nur eine Minute."
    „Ich weiß. Bloß, um sicherzugehen, daß das Revier noch steht."
    Eine traurige Stimme sagte: „Zwohunderteinundfünfzigstes Polizeirevier. Polizeibeamter Curdy. Kann ich irgend etwas für Sie tun?"
    „Hier Captain Edward X. Delaney", sagte er mit seiner schleppenden Stimme. „Verbinden Sie mich bitte mit Lieutenant Dorfman."
    „Oh, gewiß, Captain. Ich glaube, er ist oben. Einen Augenblick. Ich werde ihn schon finden."
    Dorfman war fast augenblicklich am Apparat. „Hallo, Captain. Genießen Sie ihren freien Tag? Herrliches Wetter übrigens."
    „Ja. Was tut sich so?"
    „Nichts Besonderes, Sir. Das Übliche. Wieder mal eine kleine Demonstration vor der Botschaft, aber wir haben sie aufgelöst. Keine Festnahmen, keine Verletzungen."
    „Irgendwelcher Schaden?"
    „Ein zertrümmertes Fenster, Sir."
    „Na schön. Lassen Sie Donaldson den üblichen Entschuldigungsbrief tippen. Ich werde ihn morgen unterschreiben."
    „Schon erledigt, Sir. Er liegt auf Ihrem Schreibtisch."
    „Gut. Dann stellen Sie mich noch mal zurück zu dem Mann in der Telefonzentrale, ja?"
    „Ja, Sir."
    Der Beamte vom Telefondienst meldete sich wieder.
    „Captain?"
    „Sind Sie Curdy?"
    „Jawohl, Sir."
    „Curdy, als Sie meinen Anruf entgegennahmen, meldeten Sie sich mit: 'Zwohunderteinundfünfzigstes Polizeirevier.' In meiner Aktennotiz sechs-drei-eins vom vierzehnten Juli dieses Jahres habe ich unmißverständliche Anweisungen für die Beamten des Telefondienstes gegeben. In dieser Notiz habe ich angeordnet, daß einlaufende Anrufe mit 'Polizeirevier Zwei-fünf-eins' entgegengenommen werden sollen. Das ist kürzer und viel verständlicher als Zwohunderteinundfünfzigstes Polizeirevier. Haben Sie diese Notiz gelesen?"
    „Ja, Sir. Jawohl, Captain. Ich habe sie gelesen. Ich hab bloß im Moment nicht dran gedacht, Sir. Ich bin noch so sehr dran gewöhnt, es so zu machen wie früher."
    „Curdy, so was wie 'früher' gibt es nicht. Man kann eine Sache nur richtig machen oder falsch. Und in meinem Revier ist es richtig, sich mit 'Zwei-fünf-eins' zu melden. Ist das klar?"
    „Jawohl, Sir."
    Er hängte ein und kehrte zu seiner Frau zurück. Bei der New Yorker Polizei nannte man ihn 'Eisenarsch'. Das wußte er wohl, aber es machte ihm nichts aus. Es gab schlimmere Spitznamen.
    „Alles in Ordnung?" fragte sie.
    Er nickte.
    „Wer hat Dienst?"
    „Dorfman."
    „Ach. Wie geht es denn seinem Vater?"
    Er starrte sie an, und seine Augen wurden immer größer. Dann senkte er den Kopf und stöhnte. „O Gott, Barbara. Ich hab ganz vergessen, es dir zu erzählen. Dorfmans Vater ist vorige Woche gestorben. Am Freitag."
    „Aber Edward!" Vorwurfsvoll sah sie ihn an. „Warum um alles in der Welt hast du nichts davon gesagt?"
    „Ich wollte ja - aber dann hab ich's einfach vergessen."
    „Vergessen? Wie kannst du so etwas nur vergessen! Ich werde ihm gleich einen Kondolenzbrief schreiben."
    „Ja, tu das. Es wurde eine Sammlung für einen Kranz veranstaltet. Ich habe zwanzig Dollar gegeben."
    „Armer Dorfman! Du magst ihn nicht, oder?"
    „Selbstverständlich mag ich ihn. Als Mensch, als Persönlichkeit. Er ist eben bloß kein guter Polizist."
    „Nein? Du hast mir doch erzählt, daß er seine Arbeit sehr gut macht."
    „Das tut er auch. Er ist ein guter Aktenmensch, mit seinem Papierkram immer auf dem laufenden. Und er hat glänzende Rechtskenntnisse. Aber ein wirklich guter Polizist ist er nicht. Er tut, was getan werden muß, aber ihm fehlt der Instinkt."
    „Aber nun erklär mir mal, du Schlaumeier", sagte sie, „worin besteht denn der Instinkt des idealen Polizisten?"
    „Ach", sagte er, „lach nur darüber, wenn du magst, es gibt ihn tatsächlich. Was hat mich dazu gebracht, zur Polizei zu gehen? Mein Vater war kein Polizist, überhaupt niemand in der Familie. Ich hätte Jura studieren können; meine Zeugnisse hätten dafür durchaus gereicht. Aber ich wollte nun mal nichts anderes werden als Polizist, solange ich zurückdenken kann. Und ich werde dir auch sagen, warum: weil ich nämlich, wenn die Wäsche aus der chinesischen Wäscherei zurückkommt, darauf bestehe, daß..."

    „Seit einunddreißig Jahren, du Schuft!"
    „Na schön, seit einunddreißig Jahren. Aber das erste Jahr haben wir in Sünde zusammen gelebt."
    „Du bist wirklich ein Schuft." Sie lachte.
    „Aber es war so - und es war das herrlichste Jahr in meinem ganzen Leben."
    Sie legte ihre Hand auf die seine.

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