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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Manchmal haben wir auf genau dieser Bank hier gesessen. Eddi wäre am liebsten den ganzen Tag Karussell gefahren, wenn ich ihn gelassen hätte."
    „Er hat sich immer auf den Schimmel gesetzt."
    „Es sind gute Kinder, nicht wahr, Edward?"
    „Ja."
    „Glückliche Kinder."
    „Hm, ich wünschte nur, Eddie würde heiraten, aber es hat keinen Sinn, dauernd auf ihn einzureden und ihn zu drängen."
    „Nein. Er hat einen Dickschädel. Wie sein Vater."
    „Hab ich denn einen Dickschädel?"
    „In manchen Dingen, ja. Wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast. Wie zum Beispiel, daß ich zur Beobachtung ins Krankenhaus soll."
    „Dann wirst du also gehen, nicht wahr?"
    Sie bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln, neigte sich dann unerwartet vor und küßte ihn auf die Lippen. Es war ein sanfter, jugendlicher, langandauernder Kuß, und das Verlangen, das darin lag, erschreckte ihn.
    Spät an diesem Abend brannte sie immer noch von diesem Verlangen, loderte ihr Körper vor Lust und Fieber. Nackt kam sie in seine Arme und schien es darauf angelegt zu haben, ihn leerzupumpen, ihn zu erschöpfen, alles für sich selbst zu nehmen und ihm nichts zu lassen.
    Er versuchte, ihr Rasen zu zügeln - ein Rasen, das er sonst so gar nicht an ihr kannte; für gewöhnlich lag sie nur schmachtend da und reizte ihn - doch dieser Ausbruch überwältigte ihn. Einmal, als sie in verschwitztem Paroxysmus um sich schlug, nannte sie ihn „Ted", was sie nicht mehr getan, seit ihr gemeinsames Leben begonnen hatte.
    Er tat, was er konnte, sie zu befriedigen und zu beschwichtigen, und mußte doch bemerken, daß seine Worte nicht gehört wurden und seine Liebkosungen nicht gespürt; das einzige, was er tun konnte, war dasein. Der Sturm ging vorüber und ließ ihn mit zerrissenem Herzen zurück. Er kaute auf einem Knöchel herum und schlief dann ein.
    Als er wenige Stunden darauf wieder erwachte, war sie nicht im Bett. Er wurde augenblicklich hellwach, zog rasch seinen alten Bademantel mit der zerfransten Kordel über, ging barfuß nach unten und suchte nach ihr.
    Er fand sie im „Salon", wie sie dieses Zimmer ihres umgebauten Hauses nannten, das unmittelbar an die Wache des 251. Polizeireviers grenzte. Sie saß auf der Bank beim Fenster und trug ein weißes Baumwollnachthemd. Die Knie hatte sie hochgezogen und die Arme darum geschlungen. Im Licht, das aus der Diele hereinfiel, sah er, daß sie die Stirn auf die Knie gelegt hatte. Das Haar hing ihr herunter und verbarg ihr Gesicht, fiel locker um Schulter und Knie.
    „Barbara", rief er.
    Sie hob den Kopf. Das Haar fiel zurück. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihm das Herz zusammenzog.
    „Ich sterbe", sagte sie.

8
    Barbara Delaneys Klinikaufenthalt zum Zweck einer gründlichen Untersuchung dauerte länger als die von Dr. Bernardi vorausgesagten fünf Tage. Erst waren es ein Wochenende und fünf Tage, dann wurden zwei Wochenenden und fünf Tage daraus und zuletzt insgesamt fünfzehn Tage. Auf jede Nachfrage von Captain Edward X. Delaney antwortete der Arzt nur: „Weitere Untersuchungen."
    Von seinem täglichen Besuch, manchmal ging er auch zweimal hin, bei seiner Frau kehrte Delaney immer mit dem Verdacht zurück, daß die Dinge durchaus nicht gut liefen. Das Fieber wollte und wollte nicht weichen, neue Symptome traten auf: Kopfschmerzen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, so daß sie katheterisiert werden mußte, heftige Schmerzen im Beckenbereich, plötzlich auftretender Brechreiz, der sie sehr schwächte. Einmal übergab sie sich in ein Becken, das er ihr hinhielt; Tränen in den Augen, wandte sie sich ab und sah zum Fenster hinaus.
    An dem Vormittag, da er sich entschloß, entgegen den Wünschen seiner Frau einen anderen Arzt zu konsultieren, wurde er telefonisch zu einem Gespräch mit Bernardi ins Krankenzimmer seiner Frau in die Klinik gebeten. Lieutenant Dorfman sah den Kummer in seinen Augen, als er ging.
    „Bitte Captain", sagte er, „versuchen Sie doch, sich keine Gedanken zu machen. Sie wird schon wieder gesund werden."
    Marty Dorfman war ein ungewöhnlich großer Jude (1,92 m) mit hellblauen Augen und rotem Stoppelhaar. Er brauchte Schuhgröße 48 und fand keine passenden Handschuhe. Er schien ständig mit Brotkrümeln übersät, und fluchen hatte ihn noch niemand gehört.
    Nichts paßte ihm: Der Rock schlotterte um seine schmalen Schultern, seine Hosen waren ausgebeult wie die Pumphosen eines Holländers. Zigarettenasche machte seine Manschetten grau. Manchmal paßten seine Socken

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