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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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„Und alles folgende war nur ein schwacher Abglanz davon?"
    „Du weißt selbst, daß das nicht stimmt. Aber schön, reden wir wieder vom Instinkt des guten Polizisten."
    „Und von der chinesischen Wäscherei."
    „Also, du weißt, daß ich meine Wäsche gern selber in Schrank und Kommode einräume. Die Socken werden einmal umgeschlagen und mit der Falte nach vorn gestapelt. Taschentücher müssen so übereinander geschichtet sein, daß die offene Seite rechts liegt. Hemden werden abwechselnd übereinandergelegt: Kragen nach vorn, Kragen nach hinten - damit der Stapel nicht umfällt, verstehst du. Und mit Unterwäsche und Pyjamas und so weiter verfahre ich entsprechend. Selbstverständlich kommen die frisch gewaschenen Sachen nach unten, damit alles gleichmäßig abgetragen wird. Das ist meine Welt: Ordnung. So bin ich nun mal. Das weißt du ja. Ich möchte, daß alles seine Ordnung hat."
    „Und deshalb bist du zur Polizei gegangen? Damit alles seine Ordnung hat und die Welt fein säuberlich zueinander paßt?" „Ja."
    Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte. Wie er es liebte, sie lachen zu sehen! Wenn er doch selbst auch so lachen könnte! Dieses Lachen war ein aus vollem Herzen kommender Ausdruck reiner Freude: Die Augen hatte sie dabei fest zusammengedrückt, der Mund stand offen, die Schultern schüttelten sich - ein erstaunlich volltönendes Lachen, das weder weiblich noch männlich war, sondern geschlechtslos und ursprünglich, wie alles echte Lachen.
    „Edward, Edward!" sagte sie und holte ein Taschentuch aus der Handtasche, um sich die Augen zu wischen. „Du besitzt eine wunderbare Fähigkeit, dir selbst etwas vorzumachen. Das ist es wahrscheinlich, weshalb ich dich so liebe."
    „Na schön", sagte er ein wenig verlegen. „Dann sag du mir's. Warum bin ich Polizist geworden?"
    Abermals legte sie ihre Hand über die seine. Sie schaute ihm in die Augen, ganz ernst plötzlich.
    „Weißt du es nicht?" fragte sie sanft. „Weißt du es wirklich nicht? Weil du die Schönheit liebst. Ach, ich weiß, Gesetz und Ordnung und Gerechtigkeit sind dir wichtig. Aber worum es dir im Grunde geht, das ist eine schöne Welt, in der alles echt ist und nichts falsch. Du Träumer!"
    Lange sann er darüber nach. Dann standen sie auf und schlenderten Hand in Hand in den Park hinaus.
    Im Central Park gibt es ein überdachtes Karussell, welches das Entzücken von Generationen kleiner Kinder gewesen ist. An manchen Tagen, wenn der Wind richtig steht, kann man aus der Ferne sein melodisches Geklingel hören; die Luft scheint zu tanzen. Die Tiere - wunderbar geschnitzte und bemalte Pferdchen - jagen in einem fröhlichen Wirbel hintereinander her, der die Kinder erregt und auch die Eltern in ihren Bann schlägt. Auf einer Bank in der Nähe dieses Karussells ließen Barbara und Edward Delaney sich nieder, Schulter an Schulter. Sie hörten die Musik, sahen die schwindelerregenden Drehungen durch die immer noch sommerlich grünbelaubten Bäume hindurch.
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Dann sagte sie, ohne ihn anzusehen: „Kannst du es mir jetzt sagen?"
    Er nickte betreten und erstattete dann so rasch wie möglich sehr genau Bericht über das, was Dr. Bernardi ihm gesagt hatte. Das einzige, was er ausließ, war des Arztes beiläufiger Hinweis auf eine „Proteusinfektion".
    „Ich finde, es bleibt uns keine Wahl", sagte er und drückte ihr fest die Hand. „Oder siehst du eine? Wir müssen jetzt einfach Klarheit gewinnen. Mir ist wesentlich wohler zumute, wenn Bernardi noch andere Ärzte hinzuzieht, und dir wird es vermutlich nicht andes ergehen. Das Ganze bedeutet doch nur fünf Tage bis eine Woche Krankenhausaufenthalt. Dann wird man entscheiden, was getan werden muß. Ich habe Bernardi gesagt, er solle alles Nötige veranlassen, um ein Zimmer zu bekommen. Ein Einzelzimmer, Barbara. Ist dir das recht?"
    Er fragte sich, ob sie ihm überhaupt zugehört hatte. Oder begriffen, worum es ging. Ihre Augen waren in die Ferne gerichtet, und das Lächeln, das auf ihren weichen Lippen lag, kannte er gar nicht an ihr.
    „Barbara?" fragte er abermals.
    „Während des Krieges", sagte sie, „als du in Frankreich warst, bin ich bei schönem Wetter mit den Kindern hierhergegangen. Eddie konnte schon laufen, aber Elizabeth saß damals noch in der Karre. Manchmal wurde Eddie auf dem Heimweg müde, und dann habe ich ihn zu Liza in die Karre gesetzt. Wie er das verabscheut hat!"
    „Ich weiß. Du hast es mir geschrieben."
    „Hab ich das?

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