Die erste Todsuende
seine Frau in diesen öligen Mann setzte.
„Wir werden uns für die Untersuchungen in der Klinik entscheiden. Werden Sie alles in die Wege leiten?"
„Selbstverständlich."
„Ein Einzelzimmer."
„Das ist nicht nötig, Captain. Es handelt sich schließlich nur um Untersuchungen."
„Meine Frau würde aber lieber in einem Einzelzimmer liegen. Sie ist sehr zurückhaltend - und sehr scheu."
„Ich weiß, Captain", murmelte der Arzt. „Ich weiß. Wollen Sie es ihr sagen, oder soll ich es tun?"
„Ich werde es ihr beibringen."
„Ja", sagte Dr. Bernardi. „Ich halte das auch für das beste."
Der Captain kehrte ins Wartezimmer zurück, um auf Barbara zu warten, und übte schon ein Lächeln.
Es war ein launischer Tag: ausgelassen und mutwillig wie eine leichtfertige Frau. Die Sonne umarmte einen, Windstöße drückten einem einen Kuß auf. Als sie die 5th Avenue hinaufgingen, hörten sie das Knattern von Fahnen, sahen sie das Glänzen eines frühen Septemberhimmels. Captain Delaney, der seine Stadt in allen ihren Stimmungen kannte, war sich ihres beschleunigten Pulsschlags bewußt. Jetzt, wo der Sommer vorbei war und der Urlaub hinter einem lag, eilte New York mit Riesenschritten auf Weihnachten und Neujahr zu.
Seine Frau hatte ihn untergehakt. Als er sie von der Seite anschaute, fand er, sie sei noch nie so schön gewesen. Das blonde, jetzt silbrig und dünner gewordene Haar hatte sie aus der Stirn zurückgekämmt und zu einem lockeren Knoten geschlungen. Ihre einst straffen Züge hatten mit der Zeit etwas Weiches bekommen. Ihre Lippen waren sanft, Kinn- und Halslinie konnten sich sehen lassen. Und die Röte (verdammtes Fieber!) verlieh ihrer Haut etwas pfirsichhaft Jugendliches.
Sie war beinahe ebenso groß wie er, hatte einen aufrechten, schwungvollen Gang, und ihre Hand lag leicht auf seinem Arm. Männer sahen ihr begehrlich nach, und Delaney war stolz. Wie sie ausschritt, über alles mögliche lachte! Ihr Kopf wandte sich hierhin und dorthin, als ob sie alles zum erstenmal sähe. Zum letztenmal? Ein kalter Finger rührte ihn an.
Sie erhaschte seinen Blick und zwinkerte ihm zu. Zwar brachte er es nicht fertig zu lächeln, aber er drückte ihr den Arm. Das Wichtigste, dachte er - das Allerwichtigste -, war, daß... daß sie nicht vor ihm starb. Denn falls doch... falls doch... er zwang sich, an etwas anderes zu denken.
Sie war fast fünf Jahre älter als er, aber sie war die Wärme, der heitere Geist und die Seele ihrer Ehe. Er war alt geboren worden, voller Hoffnungen, mit einer heimlichen Liebe zur Schönheit und einem leichten Hang zur Schwermut. Sie jedoch hatte das Rezept für Linsensuppe mit in ihr Heim gebracht, leichte Nachthemden mit rosa Schleifen und heiteres Lachen. Ohne sie wäre er ein Eigenbrötler geworden.
Er hatte sich darauf eingerichtet, im Plaza zu Mittag zu essen, Schaufenster ansehen zu gehen, die Antiquitätenläden in der 3rd Avenue abzuklappern - etwas zu unternehmen, was ihr zusammen mit ihm an seinem dienstfreien Tag Freude machte. Er wollte es ihr beibringen, wenn sie in guter Laune war. Als sie jedoch einen Spaziergang durch den Central Park vorschlug und hinterher auf der Zoo-Terrasse zu Mittag essen wollte, erklärte er sich sofort damit einverstanden. Das war vielleicht sogar noch besser; bestimmt fand er eine Bank, auf der sie allein sein konnten.
Als sie die 59th Street überquerten und zum Park einbogen, blickte er sich verwundert um. Hier hatte doch früher ein anderes Gebäude gestanden?
„Das Savoy-Plaza", sagte sie.
„Du kannst wohl Gedanken lesen", sagte er.
Das konnte sie - wenn es um ihn ging.
Sie betraten den Park an der 60th Street und gingen durch die einander zugewandten Bankreihen hindurch auf den Zoo zu. Vor dem Yak-Gehege blieben sie stehen und betrachteten das massige, schwerfällige Tier, das den Kopf gesenkt hielt und stumpf staunend auf eine fremde Welt starrte.
„Du", sagte Barbara Delaney zu ihrem Mann.
Er lachte, drehte sie am Ellbogen herum und wies auf ein Gehege auf der anderen Seite des Weges, wo ein anmutiger Sika-Hirsch gesammelt und hellwach, den Kopf stolz auf schlankem Hals, mit schimmernden Augen stand.
„Du", sagte Edward Delaney zu seiner Frau.
Sie nahmen ein leichtes Mittagessen zu sich. Er drehte seine leere Kaffeetasse zwischen den Fingern und spähte hinein, stellte sie auf den Kopf und ließ sie auf seinen knubbeligen Fingern kreisen.
„Na schön", sagte sie im Ton gespielt spöttischer Resignation, „geh schon
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