Die erste Todsuende
auch keinen anderen Arzt. Bernardi ist ein aufgeblasener, voreingenommener, egozentrischer Scheißkerl. Aber, wie gesagt, er versteht etwas von seinem Fach. Im Falle Ihrer Frau hat er in jedem Punkt genau das Richtige getan. Er hat alles versucht — bis auf eine Operation, stimmt's?"
„Nun ja, er hat es mit Antibiotika versucht. Die haben aber nichts geholfen."
„Nein, das können sie bei Nierensteinen auch nicht. Aber auf die ist man ja auch erst gestoßen, nachdem Sie Barbara zum Röntgen in die Klinik brachten. Und dann kam die Schwierigkeit beim Wasserlassen dazu. Das war doch erst vor kurzem, oder?"
„Ja. Erst in den letzten vier, fünf Tagen."
„Hm - dann..."
„Sie raten zu einer Operation ? " fragte Delaney mit Grabesstimme.
„Ich rate zu gar nichts", sagte Ferguson scharf. „Es ist nicht mein Fall. Aber es bleibt Ihnen keine andere Wahl."
„Das sagt er auch."
„Er hat recht. Packen Sie den Stier bei den Hörnern, mein Junge!"
„Und wie stehen die Chancen?"
„Sie wollen ganz auf Nummer Sicher gehen, wie? Wenn sie sich operieren läßt, sehr gut."
„Und wenn nicht?"
„Reden wir nicht weiter darüber. Vergessen Sie's!"
„Das ist nicht fair", schrie Delaney wütend.
Ferguson sah ihn sonderbar an. „Was zum Teufel ist denn bloß los?"
Lange blickten sie einander an. Dann kehrte Ferguson an den Tisch zurück, blätterte die Röntgenbilder durch, suchte eines heraus und hielt es gegen das Licht.
„Nieren", brummelte er. „Ja, ja."
„Was ist denn, Doktor?"
„Er hat es Ihnen gesagt, und ich habe es Ihnen gesagt: mineralische Ablagerungen in den Nieren, gewöhnlich Nierensteine genannt."
„Das habe ich nicht gemeint. Irgendwas beunruhigt Sie doch."
Ferguson sah ihn an. „Sie Schlitzohr!" sagte er dann leise. „Ich habe nie jemanden kennengelernt, der so - so eingestimmt auf Menschen gewesen wäre wie Sie."
„Was ist denn?" wiederholte Delaney.
„Nichts. Nichts, das ich erklären könnte. Nur so eine Ahnung. So etwas kennen Sie doch, nicht wahr?"
„Selbstverständlich."
„Ein paar Kleinigkeiten, die nicht so recht zusammenpassen wollen. Vielleicht gibt es eine rationale Erklärung. Die Unterleibsoperation vor kurzem. Das Fieber, der Schüttelfrost... die Kopfschmerzen, der Brechreiz und so weiter. Das alles weist auf Nierensteine hin - nur die Reihenfolge des Auftretens der Symptome stimmt nicht." Er seufzte. „Edward, haben Sie jemals etwas von einer Proteusinfektion gehört?"
„Bernardi erwähnte sie mir gegenüber."
Verblüfft machte Ferguson einen Schritt zurück. „Er hat sie Ihnen gegenüber erwähnt?" wollte er wissen. „Wann war das?"
„Vor etwa drei Wochen, als er mir sagte, daß Barbara zur Beobachtung in die Klinik gehen solle. Er sagte damals, er wolle noch Genaueres darüber nachlesen, hat diese Infektion aber heute mit keinem Wort mehr erwähnt. Hätte ich ihn fragen sollen?"
„Großer Gott!" sagte Ferguson bitter. „Nein, Sie hätten ihn nicht fragen sollen. Falls er es Ihnen hätte erzählen wollen, hätte er es getan."
„Haben Sie solche Fälle schon gehabt?"
„Proteus? O ja, das habe ich. Drei in zwanzig Jahren. Dieser Proteus ist ein Teufel."
Ferguson trat auf ihn zu, packte Delaney am Arm und stellte ihn förmlich auf die Füße. Der Captain hatte ganz vergessen, wie stark der Arzt war.
„Gehen Sie und lassen Sie die Nierensteine Ihrer Frau rausholen", sagte der Arzt brutal. „Entweder sie überlebt's, oder sie stirbt. Aber das trifft auf uns alle zu. Da hilft nichts, mein Junge!"
Delaney holte tief Atem.
„Also gut, Doktor", sagte er. „Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben und daß Sie so geduldig mit mir gewesen sind."
Ferguson brachte Delaney zur Tür. „Vielleicht schau ich mal bei Barbara rein", sagte er beiläufig. „Nur als Freund der Familie."
„Ja, tun Sie das!" Delaney nickte wie benommen. „Sie will zwar keine Besuche haben, aber ich bin sicher, sie wird sich freuen, Sie zu sehen."
Ferguson packte Delaney bei den Schultern und drehte ihn ins Licht.
„Wie geht es mit dem Schlaf in letzter Zeit, Edward?" wollte er wissen.
„Nicht besonders gut."
„Nehmen Sie keine Tabletten. Lieber kurz vorm Zubettgehen einen anständigen Schnaps. Kognak ist am besten. Oder ein Glas Portwein. Oder eine Flasche Starkbier."
„Ja. Mach ich. Vielen Dank!"
Sie schüttelten einander die Hand.
Der Captain machte erst eine Zwischenstation zu Hause, um einen Wollpullover unter seine Uniformjacke zu ziehen. Dann
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