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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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einer Artikelserie."
    „Worüber?"
    „Wie jemand dazu kommt, Polizist werden zu wollen; und was mit ihm geschieht, wenn er erst mal einer ist."
    Delaney seufzte. „Dieses Thema ist doch schon dutzendemal abgehandelt worden."
    „Ich weiß. Trotzdem wird es noch einmal geschrieben werden -von mir. Im ersten Artikel geht es um Anforderungen, Ausleseverfahren und Probezeit. Jetzt versuche ich dahinterzukommen, was passiert, wenn man eingestellt worden ist - und was für Richtungen man einschlagen kann. Sie haben doch ursprünglich zur Kriminalpolizei gehört, nicht wahr?"
    „Das stimmt."
    „Morddezernat, oder?"
    „Eine Zeitlang."
    „Man spricht noch heute von Ihnen — über einige Ihrer Fälle."
    „Wirklich?"
    „Warum sind Sie zum Revierdienst übergewechselt, Captain?"
    „Ich wollte Erfahrungen in der Verwaltung sammeln", sagte Delaney kurz angebunden.
    Diesmal seufzte Handry. Er war ein schlanker, flotter junger Mann, mehr einem Versicherungsvertreter ähnlich als einem Reporter. Seine Hose war sorgfältig gebügelt, die Schuhe auf Hochglanz poliert, der Hut mit der schmalen Krempe saß ihm gerade auf dem Kopf. Er trug eine Weste und bewegte sich behende.
    Sein Gesicht verriet eine gewisse Spannung, eine heimliche Leidenschaft, die er jedoch zügelte. Die Lippen hielt er aufeinandergepreßt, seine Stirn drückte nichts Besonderes aus, und die Augen blickten offenbar bewußt ausdruckslos. Delaney fielen die abgekauten Fingernägel auf und auch, daß der Reporter sich ständig mit der rechten Zeigefingerkuppe über die Oberlippe fuhr.
    „Warum haben Sie sich den Bart abrasiert?" fragte er.
    „Sie hätten wirklich bei der Kriminalpolizei bleiben sollen", sagte Handry. „Ich weiß, daß ich es mir nicht abgewöhnen kann, über die Oberlippe zu streichen. Sagen Sie mir Captain - warum sperren die Polizisten sich eigentlich so sehr dagegen, mit mir zu reden? Oh, gewiß, reden tun sie schon, aber sie gehen nie richtig aus sich heraus. Ich komm nicht an sie heran. Wenn ich gut schreiben will, muß ich lernen, an Menschen heranzukommen. Liegt es an mir? Oder haben sie Angst, mir gegenüber offen zu sein, weil sie wissen, daß das, was sie sagen, veröffentlicht werden könnte? Oder was, zum Teufel, ist es sonst?"
    „Es liegt nicht an Ihnen - Ihnen persönlich. Aber Sie sind nun mal kein Polizist. Sie gehören einfach nicht dazu. Da klafft ein Abgrund."
    „Aber ich versuche doch, sie zu verstehen - ehrlich! Meine Artikelserie wird die Polizei sehr positiv darstellen. Das möchte ich unbedingt. Ich bin nicht darauf aus, mit Dreck zu schmeißen."
    „Freut mich, daß Sie das nicht sind. Von solchen Leuten haben wir genug."
    „Hm. Aber dann verraten Sie mir bitte: Warum wird man Polizist? Welcher vernünftige Mensch reißt sich um so einen Job - noch dazu in dieser Stadt! ? Die Bezahlung ist mies; die Arbeitszeit ist mies, jeder hält Polizisten für bestechlich, rotznäsige Gören schimpfen sie 'Schwein' und bombardieren sie mit Tüten voller Scheiße. Wo, zum Teufel, ist denn da der Reiz?"
    Sie gingen an einem luxuriösen Wohnblock entlang. Delaney hörte etwas.
    „Bleiben Sie hier", flüsterte er Handry zu.
    Leise schob er sich die Auffahrt hinan, ohne die Taschenlampe anzuknipsen. Die Rechte hatte er unter der Lasche seiner Jackentasche, die Finger um den Pistolengriff gelegt.
    Nach einer Minute war er wieder zurück und lächelte.
    „Eine Katze", sagte er, „in den Mülltonnen."
    „Hätte aber genausogut ein Drogensüchtiger mit einem Messer sein können", sagte Handry.
    „Ja", pflichtete Delaney bei, „wäre möglich gewesen."
    „Ja also - warum?" fragte Handry hartnäckig.
    Langsam schlenderten sie die York Avenue in Richtung Polizeiwache hinunter. Der Verkehr war um diese späte Stunde spärlich, und die wenigen Fußgänger, denen sie begegneten, gingen eilends weiter und blickten über die Schulter hinweg nervös zurück.
    „Darüber haben meine Frau und ich uns gerade vor ein paar Wochen unterhalten", sinnierte Delaney und erinnerte sich an den strahlenden Nachmittag im Central Park. „Ich sagte, ich sei deshalb zur Polizei gegangen, weil ich grundsätzlich ein ordnungsliebender Mensch bin. Ich habe immer alles gern sauber und adrett, und Verbrechen verletzen meinen Ordnungssinn. Meine Frau hat gelacht und behauptet, ich sei deshalb Polizist geworden, weil ich im Grunde meines Herzens ein Künstler sei und mich nach einer Welt der Schönheit sehnte, wo alles echt ist und nichts falsch. Seit

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