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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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nicht."
    Mühselig stand er auf und verließ unsicheren Schrittes den Raum.
    Jetzt bin ich der Mörder. Bacillus Proteus. Ich stecke in den Nieren meiner Frau. Ich bin...
    In der klaren Nachmittagssonne kehrte er zum Revier zurück. Eigentlich wollte er bei ihr sein. Nicht, daß es seine Pflicht war, jetzt bei ihr zu bleiben - nein, er wollte es. Weil die Krankheit lange dauern würde, konnte er sich Barbara unmöglich so intensiv widmen, wie er wollte, und nebenher noch seinen Dienst als Captain Edward X. Delaney von der New Yorker Polizei gewissenhaft versehen. Auf seiner alten Reiseschreibmaschine tippte er an Deputy Inspector Ivar Thorsen ein Gesuch um sofortige Versetzung in den Ruhestand. Er füllte das „Antrag auf Pensionierung" überschriebene Formblatt aus und erklärte Thorsen in einem beigelegten persönlichen Brief, daß er diesen Antrag wegen der Krankheit seiner Frau stelle und bitte, ihn schleunigst weiterzugeben. Er machte den Briefumschlag zu, klebte Marken darauf, ging zum Briefkasten an der Ecke und steckte ihn ein. Dann kehrte er nach Hause zurück und ließ sich auf sein Bett fallen, ohne sich auszuziehen.
    Vielleicht hatte er drei Minuten geschlafen, vielleicht aber auch acht Stunden. Das laute Klingeln des Telefons neben seinem Bett machte ihn sofort hellwach.
    „Captain Edward X. Delaney."
    „Edward, hier ist Ferguson. Haben Sie mit Bernardi gesprochen?"
    „Ja."
    „Tut mir leid, Edward."
    „Vielen Dank."
    „Vielleicht nützen die Antibiotika was. Der Hauptinfektionsherd ist jedenfalls entfernt worden."
    „Ich weiß."
    „Edward, ich habe Sie geweckt, nicht wahr?"
    „Macht nichts."
    „Ich dachte, Sie würden es gern wissen."
    „Was wissen?"
    „Ich spreche von dem Mord an Lombard. Es war kein Hammer."
    „Was war es dann"
    „Das weiß ich nicht. Das Mordinstrument ist acht bis zehn Zentimeter tief eingedrungen. Der Wundkanal gleicht einer langen, spitz zulaufenden Tüte. Das Loch in der Schädeldecke mißt vielleicht zweieinhalb Zentimeter im Durchmesser, und am unteren Ende läuft der Kanal nadelspitz zu. Wie eine Ahle. Möchten Sie einen Durchschlag von meinem Gutachten haben?"
    „Nein. Ich habe um meine Pensionierung gebeten."
    „Was?"
    „Es geht mich nichts mehr an. Ich habe um meine Pensionierung gebeten."
    „Herrgott, Edward! Das können Sie doch nicht tun! Es ist doch Ihr Leben!"
    „Ich weiß."
    Delaney legte auf. Dann lag er wach da.

13
    Drei Tage später erreichte Captain Delaney der Anruf, auf den er gewartet hatte: Deputy Inspector Thorsen bestellte ihn für nachmittags um vier in sein Büro. Delaney fuhr in Uniform mit der U-Bahn hin.
    „Gehen Sie nur rein, Captain", sagte Thorsens hübsche Sekretärin, als er ihr seinen Namen nannte. „Man erwartet Sie schon."
    Er überlegte, wer „man" wohl sein mochte, klopfte an und machte die schwere Eichentür von Thorsens Arbeitszimmer auf. Zwei Männer erhoben sich aus lederbezogenen Klubsesseln, und der Deputy Inspector kam lächelnd auf ihn zu.
    Ivar Thorsen war Delaneys „Rabbi". Dieser Ausdruck bezeichnete einen höheren Polizeioffizier oder Beamten in der Stadtverwaltung, der einen Untergebenen besonders schätzte, sich für seine Karriere interessierte und allgemein sein Vorwärtskommen förderte. Stieg ein „Rabbi" in der Hierarchie auf, stieg früher oder später auch sein Schützling auf.

    Ivar Thorsen, ein Mann Ende Fünfzig, wurde von seinen Untergebenen „Der Admiral" genannt, und es war leicht zu erkennen, warum. Wiewohl verhältnismäßg klein von Wuchs, war er doch sehr kräftig; nichts als Muskeln und Sehnen. Er ging nicht, er federte. Er hatte eine helle, makellose Haut und klassisch nordische Züge, denen alles Weiche fehlte. Seine hellblauen Augen konnten unangenehm durchdringend blicken. Das weiße Haar lag eng am Schädel, der Scheitel, durch den die rosige Kopfhaut schimmerte, saß links.
    Er schüttelte Delaney die Hand und drehte sich dann nach dem zweiten Mann im Zimmer um.
    „Sie kennen wohl Inspector Johnson, Edward?"
    „Selbstverständlich. Freut mich, Sie zu sehen, Inspector."
    „Ganz meinerseits", sagte der grinsende schwarze Buddha und streckte ihm eine gewaltige Hand hin. „Wie geht's denn so?"
    „Ich kann mich nicht beklagen. Hmm... eigentlich doch, aber niemand hört mir zu.
    „Ich weiß, ich weiß." Der große Mann gluckste so, daß sein mächtiger Bauch wackelte. „Ich wollte, wir könnten uns häufiger sehen, aber man hat mich nun mal an die verdammten Computer gefesselt,

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