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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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an sich herangelassen haben sollte.
    Delaney blieb einen Moment stehen und überlegte; folgerte er vielleicht überstürzt? Hatte der Mörder sich seinem Opfer denn wirklich von hinten genähert? Vielleicht war er aus Richtung York Avenue direkt auf Lombard zugegangen. Angenommen, er war anständig gekleidet, ging zügig voran wie jemand, der in diesem Block wohnte und es um Mitternacht eilig hatte, nach Hause zu kommen, dann stand zu erwarten, daß Lombard ihn beim Näherkommen in Augenschein genommen hatte. Und wenn der Mann nichts Verdächtiges an sich hatte, war er womöglich ein bißchen zur Seite gegangen, um ihn vorüberzulassen.
    Die Tatwaffe mußte natürlich verborgen gewesen sein. Handelte es sich dabei wirklich um ein Stück Rohr oder einen Hammer, gab es dafür zahlreiche Möglichkeiten, in einer zusammengefalteten Zeitung, unter einem über dem Arm getragenen Mantel, auch in einem sinnreich zurechtgebastelten Paket. Hatte der Mörder Lombard passiert, konnte er ihm von hinten den Schädel einschlagen. In Sekundenschnelle. Dann wäre die Überraschung vollkommen gewesen. Dann hätte nichts Lombard warnen können. Er würde tot vornüberfallen. Der Mörder würde seine Waffe wieder verstecken, zur York Avenue zurückgehen oder einfach nach Hause, falls er in diesem Block wohnte; vielleicht auch in die Wohnung von Bekannten, oder zu seinem Wagen, den er an günstiger Stelle geparkt hatte.
    Delaney rekapitulierte noch einmal. Je eindringlicher er es sich vorstellte, desto überzeugender sah es aus. Sein Gefühl sagte ihm, daß es so gewesen sein mußte. Diese Theorie ging davon aus, daß der Lombard entgegenkommende Mörder ein Fremder für Lombard war. Wenn er anständig gekleidet war und rechtschaffen aussah und es offensichtlich eilig hatte, nach Haus zu kommen, bestand kein Anlaß, ihm aus dem Wege zu gehen. Der Captain verwarf den Gedanken, daß der Mörder in nächster Nähe wohnte oder nach der Tat hier Bekannte besucht haben könnte, er mußte damit rechnen, daß alle Anwohner überprüft wurden. Nein, entweder war der Mörder zur York Avenue zurückgegangen oder aber zu seinem Auto, das er in der Nähe geparkt hatte.
    Delaney machte kehrt und nahm noch einmal den Weg, den das Opfer vermutlich zurückgelegt hatte.
    Jetzt bin ich Frank Lombard, der bald tot sein wird. Ich komme gerade vom Abendessen bei meiner Mutter. Um Mitternacht habe ich das Haus verlassen, in dem sie wohnt, und habe es eilig, nach Brooklyn zurückzukehren. Ich gehe zügig voran und schaue mich ständig um, sogar in die Vorgärten der Reihenhäuser werfe ich einen Blick. Ich weiß ja, wie häufig es zu Überfällen auf offener Straße kommt, und ich vergewissere mich, daß niemand mir auflauert und darauf wartet, mir eins über den Schädel zu geben oder mich auszurauben.
    Ich überblicke die Straße vor mir. Aus Richtung York Avenue kommt mir ein Mann entgegen. Im schattenlosen Licht der neuen Straßenbeleuchtung kann ich erkennen, daß der Mann anständig gekleidet ist und einen Mantel überm Arm trägt. Auch er hat es eilig, nach Hause zu kommen. Das kann ich verstehen. Während er näher kommt, treffen sich unsere Blicke. Wir nicken und lächeln einander beruhigend zu. 'In Ordnung', besagt dieses Lächeln. 'Wir sind beide anständig angezogen. Wir sind keine Ganoven.' Ich gehe ein wenig beiseite, um den Mann vorüberzulassen. Gleich darauf bin ich tot.
    Delaney blieb bei den Kreideumrissen des Toten stehen. Dieser fing an, Wirklichkeit für ihn zu werden. Damit war erklärt, warum Lombard offenbar keinerlei Anstalten machte, sich zu verteidigen, ja, warum er gar nicht erst dazu kam. Langsam ging der Captain weiter bis zur York Avenue, machte kehrt und ging denselben Weg in Richtung auf den Fluß zurück.
    Jetzt bin ich der Mörder und trage einen Mantel überm Arm. Unterm Mantel verborgen umklammere ich den Griff eines Hammers. Zielbewußt ausschreitend, gehe ich eilig dahin. Im orangefarbenen Licht der Laternen sehe ich den Mann, den ich töten will. Federnd gehe ich auf ihn zu. Im Näherkommen nicke und lächle ich und schicke mich an, an ihm vorüberzugehen. Jetzt sieht er genau geradeaus. Ich bin vorüber, greife nach dem Hammer, fahre herum, hebe den Hammer ganz hoch und schlage zu. Er bricht zusammen, kippt mit ausgebreiteten Armen vornüber. Ich stecke den Hammer wieder unter den Mantel, gehe rasch zurück zur York Avenue und bin entwischt.
    Abermals blieb Captain Delaney bei den Kreideumrissen stehen. Ja, so könnte

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