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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht zugesagt. Er liebte es, wenn seine Füße elegant und vornehm beschuht wirkten. Aber jetzt, während er den steinigen Pfad entlangstapfte, begriff er, dass es auch andere Schuhe geben musste.
    Sein Gefährte unterbrach plötzlich das Schweigen.
    »Wird der Pfarrer mich deshalb verfolgen? Ich will mein Gewissen nicht mit einer Todsünde belasten.«
    Hercule Poirot beruhigte ihn. »Sie geben nur dem Kaiser zurück, was des Kaisers ist.«
    Sie waren zur Klostermauer gekommen. Atlas machte Vorbereitungen, seine Rolle zu spielen.
    Ein Stöhnen entrang sich ihm, und er klagte in ergreifenden Tönen, dass er vollkommen erledigt sei.
    Hercule Poirot sagte gebieterisch:
    »Seien Sie ruhig, Sie werden ja nicht die Last des Himmelsgewölbes tragen müssen, sondern nur die Last von Hercule Poirot.«
     
    Atlas drehte zwei neue Fünfpfundnoten zwischen den Fingern.
    Er sagte zuversichtlich:
    »Vielleicht werde ich mich am Morgen nicht mehr erinnern, wie ich das verdient habe. Ich habe Angst, dass Pater O’Reilly hinter mir her sein wird.«
    »Vergessen Sie alles, mein Lieber, morgen gehört die Welt Ihnen.«
    Atlas murmelte:
    »Und auf was soll ich es setzen? Auf ›Working Lad‹? Er ist ein großartiges Pferd, ein schönes Pferd! Oder auf ›She i la Boyne‹? Sie würde sieben zu eins auszahlen.«
    Er machte eine Pause.
    »Bilde ich es mir ein, oder haben Sie den Namen eines heidnischen Gottes erwähnt? ›Herkules‹ haben Sie gesagt, und so wahr ich lebe, morgen um drei Uhr dreißig läuft ›Herkules‹.«
    »Mein Lieber«, riet Poirot, »setzen Sie alles auf Herkules. Ich sage Ihnen eines: ›Herkules‹ kann nicht versagen.«
    Und es geschah tatsächlich, dass am nächsten Tag Mr Rosselyns ›Herkules‹ völlig unerwartet als Outsider das Boynan-Rennen gewann und eine Quote von sechzig zu eins für ihn ausgezahlt wurde.
     
    Hercule Poirot öffnete geschickt das saubere Paket. Er entfernte zuerst das Packpapier, dann die Watte und schließlich das Seidenpapier. Er stellte mitten auf den Schreibtisch vor Emery Power einen leuchtenden, goldenen Becher, der einen ziselierten Baum zeigte, der Äpfel aus Smaragden trug.
    Emery Power schöpfte tief Atem.
    »Ich gratuliere Ihnen, Monsieur Poirot.«
    Hercule Poirot verbeugte sich.
    Emery Power streckte eine Hand aus. Er berührte den Rand des Bechers und tastete ihn mit dem Finger ab.
    »Mein Eigentum!«, sagte er feierlich.
    Hercule Poirot stimmte zu. »Ja.«
    Der andere stieß einen Seufzer aus. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Dann fragte er in geschäftsmäßigem Ton:
    »Wo haben Sie ihn gefunden?«
    »Ich fand ihn auf einem Altar«, erwiderte Poirot.
    Emery Power riss die Augen auf.
    Poirot fuhr fort:
    »Caseys Tochter war eine Nonne. Um die Zeit, als ihr Vater starb, war sie im Begriff, die letzten Weihen zu empfangen. Sie war ein unwissendes, aber tiefgläubiges Mädchen. Der Becher war im Haus ihres Vaters in Liverpool versteckt gewesen. Sie brachte ihn ins Kloster, um, wie ich vermute, die Sünden ihres Vaters zu sühnen. Sie gab ihn hin, um der Ehre Gottes zu dienen. Ich glaube nicht, dass die Nonnen je eine Ahnung von seinem Wert hatten. Sie hielten ihn wahrscheinlich für ein Familienerbstück. In ihren Augen war er ein Kelch, und sie verwendeten ihn als solchen.«
    »Eine unglaubliche Geschichte!«, sagte Emery Power. »Was brachte Sie auf den Gedanken, dorthin zu gehen?«
    Poirot zuckte die Achseln.
    »Vielleicht – meine Methode der Elimination. Und dann gab mir die Tatsache zu denken, dass nie jemand versucht hatte, den Becher zu verkaufen. Das sah danach aus, wissen Sie, als ob er an einem Ort wäre, wo die üblichen materiellen Werte nicht gelten. Ich erinnerte mich, dass Patrick Caseys Tochter Nonne war.«
    Power wiederholte herzlich:
    »Nun, wie gesagt, ich gratuliere Ihnen. Nennen Sie mir Ihr Honorar, und ich werde Ihnen einen Scheck ausstellen.«
    »Es gibt kein Honorar«, sagte Hercule Poirot.
    Der andere starrte ihn an.
    »Was soll das heißen?«
    »Haben Sie als Kind je Märchen gelesen? Da sagte der König immer: ›Verlange von mir, was du willst.‹«
    »Also verlangen Sie doch etwas?«
    »Ja, aber kein Geld. Nur die Erfüllung einer einfachen Bitte.«
    »Nun, was ist es? Wollen Sie einen Börsentipp?«
    »Nein, das wäre ja nur Geld in einer anderen Form. Meine Bitte ist viel einfacher.«
    »Wie lautet sie?«
    Hercule Poirot legte seine Hände auf den Becher.
    »Schicken Sie das ins Kloster zurück.«
    Es entstand eine Pause.
    Dann

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