Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Möglichkeit, ihn Sir Reuben stehlen zu lassen.«
»Nicht stehlen, Monsieur Poirot. Ich hätte nur mein Eigentum wiedererobert.«
»Aber ich nehme an, dass es Ihnen nicht gelungen ist?«
»Aus dem einfachen Grund, weil Rosenthal den Becher nie besessen hat.«
»Woher wissen Sie das?«
»Neulich kam es zu einer Verschmelzung der Interessen. Rosenthals und meine Interessen decken sich jetzt. Wir sind heute Verbündete und keine Feinde mehr. Ich sprach mit ihm offen über das Thema, und er versicherte mir sogleich, dass der Becher nie in seinem Besitz gewesen sei.«
»Und Sie glauben ihm?«
»Ja.«
Poirot sagte nachdenklich:
»Also waren Sie fast zehn Jahre lang auf einer falschen Spur?«
»Ja, ich war auf einer ganz falschen Spur«, gestand der Finanzmann bitter.
»Und jetzt – soll alles wieder von vorn beginnen?«
Der andere nickte.
»Und das soll jetzt meine Aufgabe sein. Ich bin der Hund, der die verlorene Spur verfolgen soll – die gründlich verwehte Spur?«
Emery Power erwiderte trocken:
»Wäre die Sache leicht, hätte ich mich nicht an Sie gewendet. Natürlich, wenn Sie es für unmöglich halten – «
Er hatte das richtige Wort gewählt. Hercule Poirot richtete sich auf und sagte kalt:
»Das Wort unmöglich existiert für mich nicht! Ich frage mich nur, ob diese Sache für mich interessant genug ist.«
Emery Power lächelte wieder.
»Das Interessante an ihr ist – Sie können Ihr Honorar selbst bestimmen.«
Der kleine Mann blickte den großen an.
»Liegt Ihnen denn soviel an diesem Kunstwerk?«
»Nehmen Sie an, dass ich mich ebenso wie Sie nie geschlagen gebe«, meinte Emery Power.
Hercule Poirot senkte den Kopf.
»Ja – so ausgedrückt – verstehe ich es…«
Inspektor Wagstaffe interessierte sich sehr für die Sache.
»Der Veratrino-Becher? Ja, ich erinnere mich genau an die Geschichte. Ich war hier mit der Sache betraut. Ich spreche ein wenig Italienisch, wissen Sie, und bin hinübergefahren, um mich mit den Makkaronis zu beraten. Der Becher ist seitdem nie wieder aufgetaucht. Komische Geschichte das.«
»Wie erklären Sie es sich? Ein heimlicher Verkauf?«
Wagstaffe schüttelte den Kopf.
»Das bezweifle ich. Natürlich besteht eine entfernte Möglichkeit… Nein, meine Erklärung ist bedeutend einfacher. Das Zeug wurde versteckt, und der einzige Mann, der wusste wo, ist tot.«
»Sie meinen Casey?«
»Ja. Er kann den Becher irgendwo in Italien versteckt haben, oder es kann ihm geglückt sein, ihn außer Landes zu schmuggeln. Aber er hat ihn versteckt, und wo immer er ihn versteckt hat, dort ist er noch heute.«
Hercule Poirot seufzte.
»Eine romantische Theorie – Perlen in einem Gipsabguss – wie heißt die Geschichte – die Büste Napoleons, nicht wahr? Aber hier handelt es sich nicht um Schmuck – es ist ein großer, massiver Goldbecher. Nicht so leicht zu verstecken, wie man glaubt.«
»Oh, ich weiß nicht«, meinte Wagstaffe ohne großes Interesse. »Es ließe sich vermutlich machen. Unter dem Parkett – oder irgendwo.«
»Hatte Casey ein eigenes Haus?«
»Ja – in Liverpool.« Er grinste. »Dort war er nicht unter dem Parkett. Davon haben wir uns überzeugt.«
»Wie steht es mit seiner Familie?«
»Die Frau war eine anständige Person – tuberkulös –, verzweifelt über den schlechten Lebenswandel ihres Mannes. Sie war sehr religiös – eine fromme Katholikin, aber sie konnte sich nicht entschließen, ihn zu verlassen. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Die Tochter ist ihr nachgeraten – sie ist ins Kloster gegangen. Der Sohn war anders – ganz der Vater. Das letzte Mal, als ich von ihm hörte, saß er gerade in Amerika eine Gefängnisstrafe ab.«
Hercule Poirot notierte in sein Büchlein: Amerika.
»Möglicherweise hat der junge Casey das Versteck gekannt?«
»Das glaube ich nicht, sonst wäre es in die Hände der Hehler gekommen.«
»Vielleicht ist der Becher eingeschmolzen worden?«
»Das wäre möglich, aber ich glaube es doch nicht – sein ungeheurer Sammlerwert – und Sammler scheuen nicht vor den verdächtigsten Geschäften zurück. Sie würden staunen! Manchmal«, sagte Wagstaffe entrüstet, »glaube ich, dass Sammler komplett amoralisch sind.«
»Ah! Würden Sie sich wundern, wenn zum Beispiel Sir Reuben Rosenthal in ein verdächtiges Geschäft verwickelt wäre?«
Wagstaffe grinste.
»Ich würde es ihm ruhig zutrauen. Er gilt als völlig skrupellos, wenn es sich um Kunstgegenstände handelt.«
»Was ist mit den anderen
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