Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Mitgliedern der Bande?«
»Riccovetti und Dublay haben beide schwere Gefängnisstrafen bekommen. Ich glaube, sie müssen jetzt bald entlassen werden.«
»Dublay ist Franzose, nicht wahr?«
»Ja, er war der Führer der Bande.«
»Hatte die Bande noch weitere Mitglieder?«
»Ja, eine junge Frau – man nannte sie die Rote Kate. Sie nahm einen Posten als Zofe an und kundschaftete alles für einen Diebstahl aus – wo das Geld versteckt war und so weiter. Ich glaube, sie ging nach Australien, nachdem die Bande aufgegriffen wurde.«
»Sonst noch jemand?«
»Ein Kerl namens Yougouian wurde verdächtigt, dazuzugehören. Er ist ein Händler. Sein Hauptgeschäft ist in Konstantinopel, aber er hat auch eine Filiale in Paris. Es konnte ihm nichts nachgewiesen werden – aber er ist ein aalglatter, unzuverlässiger Kunde.«
Poirot seufzte. Er blickte auf sein kleines Notizbuch. Darin stand geschrieben: Amerika, Australien, Italien, Fran k reich, Türkei…
Er murmelte:
»Ich werde einen Gürtel um die Erde legen – «
»Wie bitte?«, sagte Inspektor Wagstaffe.
»Ich sagte«, erklärte Poirot, »dass eine Weltreise angezeigt sein dürfte.«
Es war Hercule Poirots Gewohnheit, seine Fälle mit seinem äußerst fähigen Diener George zu besprechen. Das heißt, Hercule Poirot ließ gewisse Bemerkungen fallen, auf die George mit jener Weltklugheit einging, die er sich im Laufe seiner Karriere als Kammerdiener erworben hatte.
»Wenn Sie gezwungen wären, in fünf verschiedenen Weltteilen Nachforschungen anzustellen, wie würden Sie es machen?«, begann Poirot.
»Nun, Sir, mit dem Flugzeug geht es sehr schnell, obwohl manche Leute behaupten, dass es den Magen durcheinander bringt. Ich selbst habe darin keine Erfahrung.«
»Ich frage mich«, murmelte Hercule Poirot, »was Herkules getan hätte?«
»Meinen Sie den Radfahrer, Sir?«
»Oder«, fuhr Hercule Poirot fort, »ich frage mich einfach, was hat er getan? Und die Antwort lautet, George, dass er eifrig herumgereist ist. Aber zum Schluss musste er Informationen einholen – manche sagen bei Prometheus, andere bei Nereus.«
»Sind das Reisebüros, Sir? Ich habe diese Namen noch nie gehört«, sagte George.
Hercule Poirot berauschte sich am Klang seiner eigenen Stimme und fuhr fort:
»Mein Klient, Emery Power, lässt nur eines gelten – Taten! Aber es hat keinen Sinn, durch unnötige Tätigkeit Energie zu vergeuden. Es gibt eine goldene Lebensregel, George, mache nie etwas selbst, was andere für dich tun können.«
»Besonders«, fügte er nach einer Pause hinzu, »wenn Geld keine Rolle spielt!«
Er nahm ein Register mit dem Buchstaben D aus dem Fach und öffnete es bei dem Wort »Detektivbüros – verlässlich«.
»Der moderne Prometheus«, murmelte er. »Seien Sie so gut, George, und schreiben Sie mir bestimmte Namen und Adressen heraus. Hankerton, New York. Laden und Bosher, Sydney. Signor Giovanni Mezzi, Rom. Nahum, Konstantinopel. Roget et Fraconard, Paris.«
Er machte eine Pause, während George alles niederschrieb. Dann sagte er:
»Und jetzt seien Sie so gut und sehen Sie die Züge nach Liverpool nach.«
»Ja, Sir. Fahren Sie nach Liverpool, Sir?«
»Ich werde wohl müssen. Und es ist möglich, dass ich sogar noch weiter fort reisen muss. Aber im Augenblick noch nicht.«
Drei Monate später stand Hercule Poirot auf einer felsigen Landzunge und blickte auf den Atlantischen Ozean hinaus. Möwen flogen mit lang gezogenem, melancholischem Gekreisch auf und nieder. Die Luft war warm und feucht.
Hercule Poirot hatte wie viele, die das erste Mal nach Inishgowlen kommen, das Gefühl, am Ende der Welt zu sein. Er hatte sich nie im Leben etwas so Einsames, so Entlegenes, so Verlassenes vorgestellt. Dabei hatte es eine eigene verwunschene Schönheit, die Schönheit einer fernen, sagenhaften Vergangenheit. Hier im Westen Irlands waren die Römer nie mit ihren Legionen eingedrungen, hatten sie nie ein Lager befestigt, nie eine vernünftige, nützliche Straße gebaut. Es war ein Land, wo gesunder Menschenverstand und eine geordnete Lebensweise unbekannt waren.
Hercule Poirot blickte auf die Spitzen seiner Lackschuhe und seufzte. Er fühlte sich einsam und verlassen. Die Maßstäbe, nach denen er sich richtete, waren hier unbekannt, hier galten andere Maßstäbe. Er ließ seine Augen langsam die einsame Uferlinie entlang schweifen und dann wieder auf das Meer hinaus. Irgendwo dort draußen war, wie die Sage ging, die Insel der Seligen, das Land der
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