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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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besondere Art, tätig zu sein. In beider See-
    len mahnte nämlich, neben der eingebornen Trägheit, ein Rest von Gewissen
    schüchtern zum Fleißigsein; wenigstens wollten beide zwar nicht wirklich ar-
    beiten, aber doch vor sich selber den Anschein gewinnen, als seien sie etwas nütze. Dies erstrebten sie nun auf durchaus verschiedene Weise, und es trat
    hier in diesen abgenützten und scheinbar vom Schicksal zu Brüdern gemachten
    Männern ein unerwarteter Zwiespalt der Anlagen und Neigungen hervor.
    Hürlin hatte die Methode, zwar so gut wie nichts zu leisten, aber doch
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    fortwährend sehr beschäftigt zu sein oder zu scheinen. Ein einfacher Hand-
    griff wurde bei ihm zu einem höchst verwickelten Manöver, indem mit je-
    der noch so kleinen Bewegung ein sparsam zähes Ritardando verschwistert
    war; überdies erfand und übte er zwischen zwei einfachen Bewegungen, bei-
    spielsweise zwischen dem Ergreifen und dem Ansetzen der Säge, beständig
    ganze Reihen von wertlosen und mühelosen Zwischentätigkeiten und war im-
    mer vollauf beschäftigt, sich durch solche unnütze Plempereien die eigentliche Arbeit möglichst noch ein wenig vom Leibe zu halten. Darin glich er einem
    Verurteilten, der dies und das und immer noch etwas ausheckt, was noch
    geschehen und stattfinden und getan und besorgt werden muß, ehe es ans
    Erleiden des Unvermeidlichen geht. Und so gelang es ihm wirklich, die vorge-
    schriebenen Stunden mit einer ununterbrochenen Geschäftigkeit auszufüllen
    und es zu einem Schimmer von ehrlichem Schweiß zu bringen, ohne doch eine
    nennenswerte Arbeit zu tun.
    In diesem eigentümlichen, jedoch praktischen System hatte er gehofft, von
    Heller verstanden und unterstützt zu werden, und fand sich nun völlig ent-
    täuscht. Der Seiler nämlich befolgte, seinem inneren Wesen entsprechend, eine entgegengesetzte Methode. Er steigerte sich durch krampfhaften Entschluß
    in einen schäumenden Furor hinein, stürzte sich mit Todesverachtung in die
    Arbeit und wütete, daß der Schweiß rann und die Späne flogen. Aber das
    hielt nur Minuten an, dann war er erschöpft, hatte sein Gewissen befriedigt
    und rastete tatenlos zusammengesunken, bis nach geraumer Zeit der Raptus
    wieder kam und wieder wütete und verrauchte. Die Resultate dieser Arbeitsart übertrafen die des Fabrikanten nicht erheblich.
    Unter solchen Umständen mußte von den beiden jeder dem andern zum
    schweren Hindernis und Ärgernis werden. Die gewaltsame und hastige, ruck-
    weise einsetzende Art des Heller war dem Fabrikanten im Innersten zuwider,
    während dessen stetig träges Schäffeln wieder jenem ein Greuel war. Wenn der Seiler einen seiner wütenden Anfälle von Fleiß bekam, zog sich der erschreckte Hürlin einige Schritte weit zurück und schaute verächtlich zu, indessen jener keuchend und schwitzend sich abmühte und doch noch einen Rest von Atem
    übrigbehielt, um Hürlin seine Faulenzerei vorzuwerfen.
    Guck nur , schrie er ihn an,
    guck nur, faules Luder, Tagdieb du! Gelt,
    das gefällt dir, wenn sich andere Leut für dich abschinden? Natürlich, der
    Herr ist ja Fabrikant! Ich glaub, du wärst imstand und tätest vier Wochen am gleichen Scheit herumsägen.
    Weder die Ehrenrührigkeit noch die Wahrheit dieser Vorwürfe regte Hürlin
    stark auf, dennoch blieb er dem Seiler nichts schuldig. Sobald Heller ermat-
    tet beiseite hockte, gab er ihm sein Schimpfen heim. Er nannte ihn Dickkopf, Ladstock, Hauderer, Seilersdackel, Turmspitzenvergolder, Kartoffelkönig, Al-lerweltsdreckler, Schoote, Schlangenfänger, Mohrenhäuptling, alte Schnaps-
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    bouteille und erbot sich mit herausfordernden Gesten, ihm so lang auf seinen Wasserkopf zu hauen, bis er die Welt für ein Erdäpfelgemüs und die zwölf
    Apostel für eine Räuberbande ansähe. Zur Ausführung solcher Drohungen
    kam es natürlich nie, sie waren rein oratorische Leistungen und wurden auch
    vom Gegner als nichts anderes betrachtet. Ein paarmal verklagten sie einan-
    der beim Hausvater, aber Sauberle war gescheit genug, sich das gründlich zu
    verbitten.
    Kerle , sagte er ärgerlich,
    ihr seid doch keine Schulbuben mehr. Auf so
    Stänkereien laß ich mich nicht ein; fertig, basta!
    Trotzdem kamen beide wieder, jeder für sich, um einander zu verklagen. Da
    bekam beim Mittagessen der Fabrikant kein Fleisch, und als er trotzig aufbe-
    gehrte, meinte der Stricker:
    Regt Euch nicht so auf. Hürlin, Strafe muß sein.
    Der Heller hat mir erzählt, was Ihr wieder für Reden geführt

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