Die Erzaehlungen
zu, um die Diener mit den Lampen hereinzulassen; es waren viele Schritte zu unterscheiden: man hatte viel Licht befohlen. Die Tür sprang auf, wildes Licht aus offenen Fackeln blendete den Prinzen, und er fühlte einen Stoß und Schmerz an der linken Schulter. Er taumelte. Aber im nächsten Augenblick stand er mit dem Degen den Hereinstürmenden entgegen. Graf Alma neben ihm. Eine ungeheure Wachheit war in ihnen. Ihre Namen und ihre Kleider rissen sie mit. Sie fochten furchtbar. Der Adel eines alten Königreichs hätte nicht stolzer fallen können. Die Übermacht bewältigte sie. Der Graf starb zuerst. Aus sieben Wunden strömte das Leben des Prinzen. Sterbend suchte sein Auge Helenen. Sie war nicht mehr im Salon; auch die anderen Frauen waren geflohen, so schien es. Die Horde drang johlend vor. Jetzt erschien Simeon an der Spitze; er meinte keinen Widerstand mehr befürchten zu müssen. In einem engen dunklen Gang stieß er auf ein Bündel Kleider. Das war die Frau Fürstin von Sylva-Valtara. Er erwürgte sie im Vorübergehen.
Indessen suchte die Herzogin Helenen im großen Saal, als man dort eindrang. Simeon sprang auf sie zu, aber er zögerte.
»Gebt die Fürstin Helene heraus!« schrie sie und streckte ihm eine Klinge, ganz aus Mondlicht, entgegen, die ihn an der Hand verwundete.
Simeon brüllte auf: »Bist du ein Mann?« und erschlug sie mit einem Gewehrkolben. Dann hob er sie auf sie war leicht wie ein Kind und warf sie aus dem breiten Bogenfenster ins Schwarze, in den Hof.
Gleich darauf fuhr der große Reisewagen vor. Die Horde im Schloß hatte sich auf die Kisten gestürzt und plünderte. Jemand hatte auch noch Wein im Keller entdeckt: darauf hatte Simeon gerechnet. Er trug einen großen Mantel, darunter das schwarze Kammerherrnkleid des Grafen Alma. Die Pässe staken darin. Vor ihm stieg Aurora ein, stark verhüllt, aber mit Ringen an den unbehandschuhten Händen. Auf den Sitz gegenüber hob ein Diener eine weiße, verschleierte, schlafende oder bewußtlose Person.
Als der Wagen sich schon in Bewegung setzte, sprang noch jemand hinzu und schmiegte sich in den Rücksitz. Simeon erkannte ihn nicht gleich. Aber da schob sich das Gesicht vor und eine Stimme sagte kalt und klar: »Frau Herzogin «. Es war der Abbé.
Man schwieg. Es war kalt und unheimlich im Wagen. Von irgendwo fielen Lichter herein und glitten wie irre Gedanken über die Gesichter. Aurora zitterte. Plötzlich fragte sie flüsternd: »Wer ist das?« Sie zeigte mit dem Finger auf die weiße, verhüllte Gestalt. Simeon lachte: »Deine Tochter künftig, Frau Herzogin.«
Da nahm der Abbé den Schleier fort, und wie mit eigenem bleichen Licht hob sich aus dem Hintergrund Helenens schwer schlafendes Gesicht. Und gleich darauf erwachte sie aus der Betäubung, nach kurzem Kampf gingen die Lider auf, und die Augen, die nicht mehr staunen konnten, ergossen fremde Hoheit und Traurigkeit.
Simeon aber und sein Weib krochen zusammen wie abgestrafte Hunde und wußten auf einmal: Diese hier ist doch eine Fürstin.
Das Haus
(1899)
Die große Kattunfabrik und Stoffdruckerei Wörmann und Schneider bei Danzig hatte in Erhard Stilfried einen ausgezeichneten Musterzeichner entdeckt. Er war noch ein junger Mensch, am Anfang der Dreißig etwa, und im Laufe der Zeit ergab sich, daß er der Firma unentbehrlich geworden war. Damit sein großes Talent sich aber ganz durchsetzen könne, war es notwendig, daß er seine Kenntnisse sowohl nach der künstlerischen, wie nach der technischen Seite vervollkommne. Er sollte ein Jahr auf der Kunstgewerbeschule in München verbringen und ein zweites Jahr dazu benutzen, die größeren Fabriken seines Fachs in Paris, Wien und Berlin genau kennen zu lernen. Kurz, nachdem er geheiratet hatte, machte ihm die Firma diesen Vorschlag. Es war natürlich nicht daran zu denken, die Frau mitzunehmen, und deshalb wurde Erhard der Entschluß schwer. Aber schließlich, es hing sein Fortkommen davon ab, und seine junge Frau selbst riet ihm dazu. So erwartete er noch sein erstes Kind, und nachdem die Geburt eines Buben glücklich vorüber war, reiste er ab.
Jetzt ist er auf der Rückreise. Er sitzt dritter Klasse in einem bequemen Zuge und fährt schon hinter Berlin. Eigentümlich ist ihm zu Mut. Eine zitternde Aufregung erfüllt ihn bis in die Fingerspitzen, plötzliche Fröhlichkeiten kommen über ihn und vergehen wieder. Die Mitfahrenden sehen ihn an; er nimmt irgend eine Zeitung, schaut hinein und denkt. Wie das vergangen ist. Zwei
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