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Die Erziehung des Menschengeschlechts

Die Erziehung des Menschengeschlechts

Titel: Die Erziehung des Menschengeschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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zu einem wesentlichen Fehler desselben machen.
    Sec. 27.
    Also auch konnten in den Schriften des Alten Testaments, in diesen Elementarbuechern fuer das rohe und im Denken ungeuebte Israelitische Volk, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und kuenftigen Vergeltung gar wohl mangeln: aber enthalten durften sie schlechterdings nichts, was das Volk, fuer das sie geschrieben waren, auf dem Wege zu dieser grossen Wahrheit auch nur verspaetet haette. Und was haette es, wenig zu sagen, mehr dahin verspaetet, als wenn jene wunderbare Vergeltung in diesem Leben darinn waere versprochen, und von dem waere versprochen worden, der nichts verspricht, was er nicht haelt?
    Sec.. 28.
    Denn wenn schon aus der ungleichen Austheilung der Gueter dieses Lebens, bey der auf Tugend und Laster so wenig Ruecksicht genommen zu seyn scheinet, eben nicht der strengste Beweis fuer die Unsterblichkeit der Seele und fuer ein anders Leben, in welchem jener Knoten sich aufloese, zu fuehren: so ist doch wohl gewiss, dass der menschliche Verstand ohne jenem Knoten noch lange nicht—und vielleicht auch nie—auf bessere und strengere Beweise gekommen waere. Denn was sollte ihn antreiben koennen, diese bessern Beweise zu suchen? Die blosse Neugierde?
    Die Erziehung des Menschengeschlechts
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    Die Erziehung des Menschengeschlechts
    Sec.. 29.
    Der und jener Israelite mochte freylich wohl die goettlichen Versprechungen und Androhungen, die sich auf den gesammten Staat bezogen, auf jedes einzelne Glied desselben erstrecken, und in dem festen Glauben stehen, dass wer fromm sey auch gluecklich seyn muesse, und wer ungluecklich sey, oder werde, die Strafe seiner Missethat trage, welche sich sofort wieder in Segen verkehre, sobald er von seiner Missethat ablasse.—Ein solcher scheinet den Hiob geschrieben zu haben; denn der Plan desselben ist ganz in diesem Geiste.—
    Sec.. 30.
    Aber unmoeglich durfte die taegliche Erfahrung diesen Glauben bestaerken: oder es war auf immer bey dem Volke, das diese Erfahrung hatte, auf immer um die Erkennung und Aufnahme der ihm noch ungelaeufigen Wahrheit geschehen. Denn wenn der Fromme schlechterdings gluecklich war, und es zu seinem Gluecke doch wohl auch mit gehoerte, dass seine Zufriedenheit keine schrecklichen Gedanken des Todes unterbrachen, dass er alt und lebenssatt starb: wie konnte er sich nach einem andern Leben sehnen? wie konnte er ueber etwas nachdenken, wornach er sich nicht sehnte? Wenn aber der Fromme darueber nicht nachdachte: wer sollte es denn? Der Boesewicht? der die Strafe seiner Missethat fuehlte, und wenn er dieses Leben verwuenschte, so gern auf jedes andere Leben Verzicht that?
    Sec.. 31.
    Weit weniger verschlug es, dass der und jener Israelite die Unsterblichkeit der Seele und kuenftige Vergeltung, weil sich das Gesetz nicht darauf bezog, gerade zu und ausdruecklich leugnete. Das Leugnen eines Einzeln—waere es auch ein Salomo gewesen,—hielt den Fortgang des gemeinen Verstandes nicht auf, und war an und fuer sich selbst schon ein Beweis, dass das Volk nun einen grossen Schritt der Wahrheit naeher gekommen war. Denn Einzelne leugnen nur, was Mehrere in Ueberlegung ziehen; und in Ueberlegung ziehen, warum man sich vorher ganz und gar nicht bekuemmerte, ist der halbe Weg zur Erkenntniss.
    Sec.. 32.
    Lasst uns auch bekennen, dass es ein heroischer Gehorsam ist, die Gesetze Gottes beobachten, blos weil es Gottes Gesetze sind, und nicht, weil er die Beobachter derselben hier und dort zu belohnen verheissen hat; sie beobachten, ob man schon an der kuenftigen Belohnung ganz verzweifelt, und der zeitlichen auch nicht so ganz gewiss ist.
    Sec.. 33.
    Ein Volk, in diesem heroischen Gehorsame gegen Gott erzogen, sollte es nicht bestimmt, sollte es nicht vor allen andern faehig seyn, ganz besondere goettliche Absichten auszufuehren?—Lasst den Soldaten, der seinem Fuehrer blinden Gehorsam leistet, nun auch von der Klugheit seines Fuehrers ueberzeugt werden, und sagt, was dieser Fuehrer mit ihm auszufuehren sich nicht unterstehen darf?—
    Sec.. 34.
    Noch hatte das juedische Volk in seinem Jehova mehr den Maechtigsten, als den Weisesten aller Goetter verehrt; noch hatte es ihn als einen eifrigen Gott mehr gefuerchtet, als geliebt: auch dieses zum Beweise, dass die Begriffe, die es von seinem hoechsten einigen Gott hatte, nicht eben die rechten Begriffe waren, die wir von Gott haben muessen. Doch nun war die Zeit da, dass diese seine Begriffe erweitert, veredelt, berichtiget werden sollten, wozu sich Gott

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