Die Essenz der Lehre Buddhas
uns reift: »Ich werde für das Wohl aller Lebewesen sorgen.« Das ist die Haltung, aus der Bodhicitta entsteht.
Bis zum Ziel unserer Bodhicitta-Meditation, der Buddhaschaft, kann es dann noch Äonen, zumindest aber viele Leben dauern. Wir dürfen mit der großen Verwirklichung nicht so bald rechnen, das könnte uns Enttäuschungen einbringen und uns in unserer Praxis entmutigen. Doch alle unsere Bemühungen, auch die geduldige Auseinandersetzung mit den eher verwickelten Themen, die hier angesprochen wurden, tragen zu unserer Erleuchtung bei. Entscheidend ist, dass wir alles daransetzen, die Bedingungen für eine günstige Wiedergeburt zu schaffen, in der wir unseren Weg zur Erleuchtung fortsetzen können. Wenn wir uns vor den zehn untugendhaften Handlungen hüten – Töten, Stehlen, sexuelles Fehlverhalten, Lügen, üble Nachrede, grobe Rede, Klatsch, Begehrlichkeit, Übelwollen und falsche Anschauung –, werden wir anderen keinen Schaden zufügen und für uns selbst keine künftigen leidvollen Erfahrungen in die Wege leiten. Wir bereiten uns auf ein verheißungsvolles künftiges Leben vor. Sollten wir im Tierreich wiedergeboren werden, haben wir keine Gelegenheit, uns bewusst für ein moralisch gutes Leben zu entscheiden. Setzen wir also alles daran, dieses kurzfristige Ziel einer guten Wiedergeburt zu erreichen, damit wir unseren
Weg zum endgültigen Ziel der Buddhaschaft fortsetzen können.
Am Ende unserer Meditation eignen wir alles daraus entstandene Gute allen anderen Lebewesen zu. Zur abschließenden »Versiegelung« unserer Praxis können wir uns noch einmal mit dem Gedanken der Leerheit beschäftigen.
Beim Aufwachen am Morgen sollten wir es gleich darauf anlegen, unseren Geist »in Form« zu bringen. Wir geloben uns, dass wir anderen nützen werden, und legen damit unsere Motivation für den Tag fest. Ich denke am Morgen als Erstes an die Eigenschaften des Buddha. Danach nehme ich mir vor, meinen Tag sinnvoll zu gestalten, nämlich anderen zu dienen oder ihnen zumindest nicht zu schaden. Dann beginne ich meine Meditation wie oben beschrieben. Das bringt mich für den ganzen Tag in eine gute Verfassung.
Dadurch, dass wir unserem Tag gleich am Morgen seine Richtung geben, werden wir viel weniger schnell ungeduldig oder ungehalten reagieren, wenn wir in ärgerliche Situationen geraten. Unsere analytische Meditation am Morgen wird unseren Geist darauf einstimmen, zurückhaltend zu bleiben, wenn Begehrlichkeiten entstehen. Wir werden die innere Stärke besitzen, uns nicht von geistigen Plagen wie Stolz und Überheblichkeit mitreißen zu lassen. Unsere tägliche Meditation baut unsere Selbstbeherrschung auf, und die innere Haltung, die wir dabei gewinnen, wird sich den Tag über in unserem Handeln bekunden.
Je mehr von unserer freien Zeit wir daran wenden, unseren Geist in Form zu bringen, desto größer wird der Nutzen für uns sein. Meine Empfehlung lautet, früh aufzustehen und zu meditieren, zumal unser Geist dann oft besonders frisch und klar ist. Aber sorgen wir auch dafür, dass wir genügend Schlaf bekommen und gut ausgeruht sind, wenn es dann um unsere spirituellen Aufgaben geht.
Unsere Praxis soll stetig sein. Niemand darf mit guten Ergebnissen rechnen, wenn er nur ab und zu meditiert. Zu echten inneren Veränderungen kommt es durch kontinuierliche Praxis. Rechnen wir nicht mit Veränderungen, die schon nach Tagen, Wochen oder Monaten erkennbar werden; aber nach einigen Jahren des beharrlichen Übens werden sich Veränderungen abzeichnen, das ist keine Frage. Unsere Praxis wird auch nichts erbringen, wenn wir sie wechseln wie die Mode – hier ein bisschen üben, dann lieber wieder zu einer anderen Disziplin wechseln. Kontinuität ist wichtig.
Wenn wir hören, dass bis zur Erleuchtung eines Buddha Äonen der Praxis nötig sind, kann das entmutigend wirken. Aber wenn ich über das gewaltige Ausmaß der vor mir liegenden Aufgabe meditiere, gibt mir das eher die Kraft, mich voll einzusetzen und anderen so gut zu dienen, wie ich nur eben kann. Solch eine Selbstverpflichtung mag nach Wunschdenken aussehen, aber sie kann uns auch Zuversicht geben, wenn wir erkennen, dass unser bloßes Hiersein für andere von Wert sein kann.
Es verleiht allen Tagen unseres Lebens einen Sinn und gibt uns standhaften Mut.
Wozu wir Weisheit brauchen
Bei unserem Bemühen um ein Verständnis der Leerheit durch Analyse und Meditation geht es darum, ein zutreffendes Bild von uns selbst und der Welt ringsum zu
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