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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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umgesiedelt.
    Hernán hatte einmal im Scherz gesagt, mit der Inquisición sei es wie mit dem Königreich Gottes. Niemand wüsste, wie es kommen wird, niemand wüsste, wann es kommen wird, heute oder morgen, in einem Jahr oder in tausend Jahren, doch plötzlich ist es da. Die Inquisición war so unerwartet nach Granada gekommen. Und sie war allgegenwärtig. Aber sie war nicht das Himmelreich Gottes.«
    Ich nippte an meinem Wein und erzählte weiter:
    »Nach Königin Isabels Tod im Jahr 1504 wurde Hernán das Opfer einer Intrige. Im Herbst 1505 ließ der Inquisitor von Córdoba Freunde und Mitarbeiter des Erzbischofs festnehmen, um sie zu verhören. Der fanatische Inquisitor litt unter der irrsinnigen Vorstellung, Hernán de Talavera wolle das Judentum erneut in Spanien einführen.
    Gemeinsam mit einigen anderen von Hernáns Freunden wurde ich nach Córdoba gebracht und durch die Inquisición verhört – vergeblich. Der Inquisitor klagte den Erzbischof vor dem Tribunal an – erfolglos. Da der Erzbischof dem Papst unterstand, war Rom zuständig, und Rom sprach ihn frei. Roma locuta, causa finita – Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt.
    Jedoch nicht für Hernán. Nach dem Prozess hat er sich nie wieder erholt. Er starb nur wenige Monate später, im Mai 1507.«
    Ich wies auf die lateinische Bibel, die zwischen Celestina und David auf dem Tisch lag.
    »Auf seinem Sterbebett schenkte mir Hernán seine Bibel und schrieb jenen Satz hinein, den du, Celestina, vorhin zitiert hattest: ›Vaya con Dios, Juan, y Él va contigo – Geh mit Gott, Juan, und Er wird mit dir gehen.‹ In der Stunde seines Todes ahnte Hernán, welches Schicksal mir bevorstand.«
    Celestina ergriff meine Hand. Es war schön, und ich ließ es geschehen.
    »Wenige Tage nach Hernáns Tod wurde ich vor dem Tribunal von Córdoba angeklagt. Cisneros, inzwischen zum Kardinal ernannt, war ein den Conversos gegenüber unerbittlicher Großinquisitor. Und ein gefährlicher Feind.
    Fray Francisco Jiménez de Cisneros war ein strenger Franziskaner, ein Mönch, der sich bei seiner Ernennung zunächst geweigert hatte, Erzbischof von Toledo zu werden, weil das Amt nicht seinen Vorstellungen eines frommen Lebenswandels entsprach. Erst auf Drängen von Königin Isabel nahm er es schließlich an.
    Im Disput war Kardinal Cisneros ein geschickter Taktierer, klug, gebildet, wortgewandt, ungeduldig und in seinen Methoden manchmal äußerst brutal. Nachdem der Großinquisitor es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mich persönlich in die Knie zu zwingen und zu demütigen, haben wir uns so manches erbitterte Wortgefecht geliefert …«
    »… die allerdings nicht er gewonnen hat«, warf David ein. »Cisneros hat während des Prozesses gegen Elija ziemlich viele seiner purpurfarbenen Federn lassen müssen.«
    »Du hast mit dem Großinquisitor selbst disputiert?«, staunte Celestina.
    Ich nickte. »In der Mezquita, der ehemaligen Moschee und jetzigen Kathedrale von Córdoba.«
    »Aber das ist … ungewöhnlich.«
    »Der ganze Prozess war ungewöhnlich – von der Anklage in Córdoba, nicht in Granada, von den zwei Jahren Haft im Kerker der Inquisición in Córdoba und den endlosen Verhandlungen vor den Inquisitoren, ohne dass ein Schreiber ein Protokoll niederschrieb, bis zu den Glaubensdisputationen mit Kardinal Cisneros in der Mezquita. Und am Ende gab es nicht einmal ein Urteil.«
    »Du bist nicht verurteilt worden?«, fragte sie ungläubig.
    »Nein.«
    »Aber Kardinal Cisneros wusste doch, dass du ein Converso bist. Und du hast das Schweinefleisch abgelehnt, das er dir vorsetzte. Das allein hätte doch schon ausgereicht … ich meine: Er hätte dich doch nur foltern lassen müssen, und du hättest gestanden, was er hören wollte.«
    »Ich bin nicht gefoltert worden, Celestina. Niemand hat mir mit der Folter auch nur gedroht. Sie hatten viel zu viel Angst.«
    »Angst?« Sie schüttelte den Kopf. »Vor dir?«
    Erneut ergriff David das Wort. »In Granada war Elija der Sekretär und Vertraute des Erzbischofs Hernán de Talavera, der bei Mauren und konvertierten Juden äußerst beliebt war. Für die Mauren war Elija Nasir ad-Din, der Sieger für den Glauben. Die Juden nannten ihn Elija ha-Chasid, Elija der Fromme. Mein Bruder war ein berühmter Mann. Ein Held.
    Die Festnahme in unserem Haus war nachts erfolgt, still und unauffällig. Der Prozess fand in Córdoba statt, nicht in Granada, um keinen Aufstand zu provozieren. Elija wurde nicht gefoltert, denn viele starben nach

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