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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Papst bemängelt, dass die spanische Inquisición Verdächtige ohne rechtskräftige Beweise verhaftete, folterte, als Ketzer verurteilte und hinrichten ließ – nachdem ihr Vermögen konfisziert worden war. Daran hatte sich nichts, aber auch gar nichts geändert.«
    Ich holte tief Luft, dann fuhr ich fort:
    »Am Karfreitag haben sie Sarah und Benjamin und einige andere im Büßergewand durch die Straßen von Córdoba getrieben. Immer wieder stolperten und stürzten sie, immer wieder wurden sie hochgerissen und weitergeschleift. Ich war dazu verdammt, dem Auto de Fé zuzusehen. David und Aron standen mir in dieser schweren Stunde bei …«
    Einen Augenblick hielt ich inne, überwältigt von meinen Gefühlen.
    »Elija, du musst das nicht erzählen«, tröstete mich David. »Quäle dich doch nicht selbst …«
    »Ich will es so«, beharrte ich. »Dann wurden die beiden Scheiterhaufen entzündet. Sie bestanden nicht aus Holz und Reisig, sondern aus Büchern, die ich verfasst hatte … aus meinem Manuskript, das ich im Gefängnis geschrieben hatte … aus den arabischen Evangelien, die ich übersetzt hatte. Alles brannte: meine Frau, mein Sohn, meine Bücher, meine Vergangenheit und meine Zukunft.
    Als die Scheiterhaufen loderten, brach ich zusammen. Auf Knien bat ich Sarah und Benjamin um Vergebung. Ich trage die Schuld an ihrem Tod …«
    »Das ist nicht wahr, Elija!«, rief David. »Das ist einfach nicht wahr!«
    »… denn ich hätte sie retten können, wenn ich mich selbst geopfert hätte. Dann könnten Sarah und Benjamin noch am Leben sein. Aber ich war zu schwach.«
    »Du warst nicht schwach, Elija!«, entgegnete David nachdrücklich. »Nicht einen Augenblick hast du gezwei…«
    »Ich habe Seine Gerechtigkeit infrage gestellt.«
    »Das hat Ijob auch getan. Er beschämte Adonai. So wie du es getan hast«, sagte David. »Wen Adonai liebt, den lässt Er leiden. Dich, Elija, liebt Er über alle Maßen.«
    Ich schwieg, und David erzählte weiter:
    »Nach Sarahs und Benjamins Tod sind wir nach Granada zurückgekehrt. Elija hat den neuen Erzbischof um Erlaubnis gebeten, eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela machen zu dürfen, um seine Sünden zu büßen.
    Er erhielt die Genehmigung, weil der Erzbischof dem mächtigen Kardinal Cisneros zu Gefallen sein wollte. Einerseits konnte er einem Christen die Wallfahrt nicht verweigern – Elija war ja vom Tribunal nicht verurteilt worden. Andererseits war Elijas Besuch in Santiago de Compostela ein schönes Zeichen für alle verirrten Conversos. In Córdoba war Elija respektvoll behandelt worden, hatte mit dem Kardinal selbst disputiert – was also sprach gegen eine Wallfahrt?
    Wir packten einen Tag und eine Nacht lang: die silbernen Schabbatleuchter, die Bücher, Gold und Schmuck, das Tafelsilber. Am nächsten Tag brachen wir noch vor dem Morgengrauen auf und zogen in Richtung Norden, über Jaén nach Toledo, dann auf dem Weg nach Santiago de Compostela weiter nach Salamanca, wo wir einige Tage rasteten. Als wir sicher waren, dass man uns nicht verfolgte, zogen wir nach Valladolid, Burgos, Pamplona, überquerten die Pyrenäen und erreichten schließlich Toulouse. In Frankreich waren wir in Sicherheit. Kardinal Cisneros’ Macht endete an der spanischen Grenze. König Louis und König Fernando waren verfeindet.
    Wir wandten uns nach Norden und reisten über Orléans nach Paris. Die Sorbonne bot Elija eine Professur an. Sie wäre gut bezahlt gewesen. Aber Elija lehnte ab, weil wir als Juden außerhalb von Paris hätten wohnen müssen und nicht weiter als Christen leben wollten.«
    David suchte meinen Blick. Wir hatten uns gestritten, nachdem ich meiner Familie meine Entscheidung mitgeteilt hatte.
    Judith ergriff meine Hand und drückte sie. Ihr Lächeln spiegelte ihre tiefe Scham über das, was in jener verzweifelten Nacht geschehen war … was niemals hätte geschehen dürfen.
    Nachdenklich sah David uns an, dann sprach er weiter:
    »Also verließen wir Paris wieder, gingen nach Lyon, Chambéry, Mailand, Bologna, Florenz und kamen schließlich, ein Jahr nach unserem Aufbruch in Granada, in Padua an. Von Padua aus setzten wir nach Venedig über. Und obwohl wenige Wochen nach unserer Ankunft die Pest ausbrach und der Consiglio dei Dieci uns 1511 mit der Ausweisung drohte, sind wir geblieben.«
    Als David die Pest erwähnte, wandte Celestina den Blick ab. Hatte sie damals einen geliebten Menschen verloren?
    »Dann seid ihr seit fünf Jahren hier«, sagte sie schließlich.

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