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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Adligen König Louis VII von Frankreich, Johann vom Thron zu stoßen. Wäre die von Michael gefundene Version übernommen worden, hätte sich seiner Ansicht nach die gesamte erbärmliche Geschichte schlechter britischer Kochkunst vermeiden lassen.
    Vor etwa achtzehn Monaten hatte er ein Pergament mit Schriften eines bis dahin unbekannten Schülers des Philosophen Parmenides gefunden, der darin eine frühe Version dessen formulierte, was die Welt schließlich als Einsteins Relativitätstheorie kennen lernen sollte. Parmenides These, dass Realität notwendigerweise unbewegt und unveränderlich sein müsse, im Gegensatz zur veränderlichen Vielfalt der Alltagswahrnehmung, erhielt durch den Standpunkt seines Schülers Thiassus eine bis dahin unerwartete Bedeutungsebene. Parmenides ließ ihn kurzerhand hinrichten. Wenn Thiassus nur wenige Jahre länger gelebt hätte, und zwar bis zum Aufschwung der Atomisten, dann hätte die Anwendung seines methodischen Denkens auf ihre Ideen das Aufkommen der Kosmologie um zweitausend Jahre beschleunigen können.
    Betrachtete man diese beiden Schriftstücke als das Rückgrat von Michaels Sammlung, so war der »Upsala-Tanz« ihr Kopf und ihr Herz zugleich.
    Benannt nach einem entfernt verwandten und äußerst bedeutenden Schriftstück namens »Codex Upsaliensis«, war der »Upsala-Tanz« das kleinste, teuerste und am häufigsten untersuchte Objekt unter allen Schätzen Michaels. Der »Tanz« – ein nicht einmal fünfzehn Zentimeter breiter und zwanzig Zentimeter langer Pergamentfetzen – wurde so genannt, weil er in einem Versmaß geschrieben war, der im zwölften Jahrhundert in Island beliebt war und aus sechs Vierzeilern bestand. Sein Inhalt war bisher nur in drei anderen bekannten Schriftstücken aufgetaucht. Darunter war der »Codex Upsaliensis« derjenige, zu dem Michael am leichtesten Zugang hatte. Der Codex wurde irgendwann in den ersten Jahrzehnten des vierzehnten Jahrhunderts auf Pergament geschrieben und stellte eine der bedeutenderen Handschriften von Snorri Sturlusons Prosa-Edda dar. Das war aus zwei Gründen von Bedeutung: Die Edda wurde als verbesserte Darstellung der Mythologien der isländischen, altnordischen und germanischen Volksstämme betrachtet; und zweitens war sie Michael Langbeins glühende Leidenschaft.
    An den Codex kam er im Gegensatz zu den beiden anderen Schriftstücken leichter heran, weil er erst dann versucht hatte, ihn in die Finger zu bekommen, als er über akademische Referenzen und eine offizielle Einladung verfügte. Es war reines Glück, dass er über den »Tanz« stolperte und herausfand, dass dieser in der selben Handschrift geschrieben war wie der Codex. Unglücklicherweise war der Schmuggler, der ihn Michael zum Kauf anbot, gebildet und wusste nur allzu gut, was er da besaß.
    Michael benötigte weniger als einen Herzschlag, um in das Geschäft einzuwilligen; einige weitere Sekunden, um den Scheck zu unterzeichnen, und – sogar mit Unterstützung durch Kollegen von der Universität Reykjavik – mehrere Tage, um dem Verwaltungsleiter der Universität Wien zu erklären, warum er 6,2 Millionen Dollar für schlechte Lyrik auf einem zerfledderten Pergamentbogen von der Größe eines Tempo-Taschentuchs hingeblättert hatte.
    Die Bedeutung des Pergaments lag gleichermaßen in der Form wie im Inhalt. Als ›Tanz‹ bezeichnete man eine vierzeilige Improvisation aus Alltagswörtern, zu einem lockeren Rhythmus angeordnet, der sämtliche Regeln und Einteilungen der Metrik vollständig außer Acht ließ. Sturluson verabscheute Tanzdichtung und ging sogar so weit, in der Edda einen Abschnitt zu verfassen, der die richtige Verwendung dichterischer Formen sorgfältigst beschrieb. Er warnte ausdrücklich davor, dass ein Großteil der historischen Schriften und des Verständnisses der Menschen für ihre eigene Mythologie verloren gehen würde, sollten diese Formen außer Acht gelassen oder vernachlässigt werden.
    Die Aufnahme von Material aus der Prosa-Edda in den »Upsala-Tanz« konnte nur gedeutet werden, wenn man herausfand, zu welchem Zeitpunkt er niedergeschrieben worden war. War er zur selben Zeit verfasst worden wie der Codex, dann ließ er auf einen bedeutenden Wandel in der Rezeption Sturlusons nicht lange nach seinem Tod schließen. War er davor oder danach geschrieben worden, konnte man ihn einfach als die Bemühungen eines anderen Möchtegern-Dichters abtun – allerdings waren die Schriftzüge des »Tanzes« und des Codex’ identisch, und die

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