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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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die?
So eine richtig tolle Nietenhose für ein junges Mädchen, das muss in deinem
Alter einfach sein, vielleicht brauchst du sie eine Nummer größer, ich will sie
dir gerne...«
    »Ich brauch sie
kleiner. Sie passt nicht, du hast dich in der Größe vertan.«
    Ivonne drehte sich zu
Terese um, die versteinert in den Spiegel starrte. Langsam hob sie die Arme und
presste die Pullover fest an sich, fragte scharf: »Was meinst du damit, sie
passt nicht? Ich kenne doch deine Größe!«
    »Wow!«, flüsterte
Ivonne und blickte an sich herab, als würde sie ihren Körper zum ersten Mal
seit Wochen registrieren. Vorsichtig fingerte sie nach den Speckfalten am
Bauch, kniff die Rollen zusammen, glitt über Rippen, die sich hart und
ungeschützt anfühlten, ließ ihre Hände in einer typischen Teresen-Geste an den
Hüften hinuntergleiten. Wieso hatte sie nichts gemerkt, obwohl sie doch
aufpassen wollte wie ein Schießhund?
    Natürlich hatte sie
bemerkt, dass ihre Röcke weiter geworden waren, dass ihre Strumpfhosen an den
Schenkeln schlapperten, aber sie hatte es nie als einen fortschreitenden
Prozess identifiziert, der Ivonne verzehrte, als sukzessiven Verfall ihres
Daseins, ihres Wesens, denn hatte sie sich nicht immer genug Bewegungslosigkeit
und Nahrung zwischen all der Rennerei, die sie mittlerweile liebte, gegönnt, um
diesen Albtraum zu verhindern? Es war Verrat, als habe die alte Ivonne sich
davongestohlen wie ein elender Kojote, der sich nachts klammheimlich aufmachte,
um seine Bandido-Kameraden an den Sheriff zu verkaufen!
    Ivonne sah immer noch
an sich herab, fühlte ein Ziehen am ganzen Körper, als ob die Haut sich überall
dort, wo sie von keiner allzu dichten weichen Schicht mehr gepolstert wurde, in
die Knochen brennen und schmirgeln würde, fühlte sich schutzlos und klein. Sie
schniefte und fühlte ihre Augen feucht werden, solches Mitleid verspürte sie
mit sich selbst.
    »Das darf doch wohl
nicht wahr sein! Ich renne durch die ganze Abteilung, um dir die Jeans
hinterherzutragen, und du gibst mir die falsche Größe! Und jetzt stehst du da
und heulst wie ein Schlosshund, als gäbe es nichts wichtigeres auf Gottes
weiter Flur als diese verdammten Jeans!«
    Wütend warf Terese
die Ringelpullis über die rechte Schulter und blitzte Ivonnne an. Ihre Augen
verengten sich, sie packte Ivonne am Arm und ihr schlitzäugiger Blick maß sie
langsam von oben bis unten. Der Griff um Ivonnes Arm wurde stärker und sie
hörte erstaunt, wie Tereses Atem sich beschleunigte, sie heftig ein- und
ausatmete, als ob sie im nächsten Moment einen Asthmaanfall bekommen würde.
    »Du hast zig Kilo
verloren! Ich kenn dich ja kaum wieder! Ich... was hast du getan? Hast du mein Essen, das ich jeden verflixten Mittag für euch koche, wieder ausgekotzt? Oder
was? Nein? --- Hast es versteckt, was? Unter deinen Schlabberpullis, deinen
scheußlichen Joggingklamotten hast du es versteckt! Damit du mich heute
hier vorführen kannst! Vor wildfremden Menschen in einem Kaufhaus! Wie konntest
du nur?«  
    Ausgekotzt. So was
hatte Terese noch nie gesagt! Entsetzt befreite Ivonne sich aus Tereses Griff
und starrte in ihr bleich gewordenes Gesicht, das über der beigefarbenen Bluse
kränklich grün wirkte. Das Neonlicht beleuchtete ihren verkniffenen Mund, der
zu einem Strich zusammengepresst war, das Netz von feinen Linien auf ihren
gerougten Wangen und um die Augen, die mit schwarzem Kajal sorgfältig umrandet
waren und ihrem Gesicht ein noch härteres Aussehen verliehen. Wie so oft
versetzte Ivonne das genaue Betrachten der von Zorn vornübergebeugten Gestalt
ihrer Mutter, das Registrieren jeder Hautfalte in ihrem Gesicht wie eine
Tranceübung oder ein hypnotischer Effekt in ein angenehmes, gefühlloses Vakuum.
Eine angenehme Stärke, ein freundliches Überlegenheitsgefühl trug sie davon.
    »Wieso vorführen?
Wieso will ich dich vorführen? Du wolltest doch immer, dass ich dünner werde!
Damit sich nicht alle fragen, wie sich diese Tonne aus der zierlichen Frau
überhaupt rausquetschen konnte! Du wolltest doch immer, dass ich so schlank
werde wie du ...«  
    Ivonne maß ihren
Gegner und fand, dass er noch immer nicht am Boden lag, also fügte sie hinzu:
    »Wie du damals, vor
zig Jahrzehnten !«
    Terese
taumelte zurück und stieß gegen eine Kleiderstange.
    »Bis heute war ich
nicht sicher.«, ertönte Tereses Stimme, dumpf als säße sie in einer tiefen
Höhle. »Doch jetzt bin ich sicher: Du kannst gar nicht meine Tochter sein. Wer
weiß, wo

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