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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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Napoleon kam. Sie
nickte artig zu Dr. Frouderakis’ Aufforderung, diese Müll-Sauereien zu
unterlassen, und blitzte Liliane an, die die Augenbrauen unschuldig nach oben
zog und sich dann achselzuckend über das Pult beugte, Zunge zwischen den
Zähnen, und bereits am nächsten Pamphlet arbeitete, das ihre Nachbarin
überzeugen sollte.
    Frau Rubin-Enderle
saß in einem Strandklappstühlchen vor der Sprossenwand und zündete sich eine
Zigarette an. Genüsslich sog sie den Rauch ein und beobachtete, wie die Mädchen
ächzend die Reckstangen aufbauten und blaue, schwere Matten für die
Bodenübungen aus dem Lagerraum in die Mitte der Turnhalle schleiften. Der
Monsterqualle, wie sie Ivonne in der ersten Stunde getauft hatte – Himmel, so
viele Gören, sie brauchte ein paar Eselsbrücken, um diese ungelenken,
pickeligen Menschenkinder voneinander zu unterscheiden und Monsterqualle war extrem witzig, zeugte von ihrer überbordenden Fantasie, um die sie ihr
Mann, ein trockener Mensch, Biologielehrer in Frühpension, beneidete - der
Monsterqualle lief der Schweiß in Strömen über ihr feistes Gesicht. Man konnte
glauben, alle Poren dieser gruselig wächsernen Haut hätten sich geöffnet und
schütteten einen ekelhaften, nur NASA-Forschern oder Tropenexperten bekannten
Saft aus!
    Sie zupfte an einem
Tabakfädchen zwischen ihren Schneidezähnen und strich ihre Zigarette an der
Sprossenwand ab. Und die Mutter der Qualle so eine Adrette, Hübsche, fast so
hübsch wie Frau Rubin-Enderle selbst.
    »Schneller, Kinder,
macht mal ein bisschen schneller!«, rief sie aufmunternd und griff nach ihrer
Trillerpfeife. »Wir wollen heute noch ein bisschen was leisten, ein bisschen
mehr Schwung, Ihr...«
    ... tranigen
Torfnasen!, beendete sie in Gedanken und rief fröhlich: »... zukünftigen
Olympionikinnen!«
    Ivonne schraubte eine
Reckstange in das Gewinde und spürte ihr Fleisch willenlos unter dem Sweatshirt
wabern. Das Bündchen der Stretchhose schnitt schmerzhaft in die tiefe Kuhle
zwischen zwei Bauchfalten, und sie flüsterte ihrem gepeinigten Körper zu: »Ich
weiß, du Süßer, halte durch, nur noch eine Stunde, dann können wir nach Hause,
dann ein schönes Mittagessen und ab aufs Bett, mit Chips und Decke und Tieren
und Comics und allem!«  
    Sie sah Liliane wie
einen Kugelblitz zwischen Lager und Halle hin- und herrennen und schwere
Stufenbarrenstangen hinter sich herschleifen und fragte sich, wo diese Ausdauer
auf einmal herkam. Und wie hatte sich nur die Idee in Lilianes Kopf verfangen,
dass Ivonnes Körpervolumen gleich ihrem Energievolumen war, so dass sie ideale
Trainingspartnerinnen wären? Wie sollte sie auch nur eine Kuppel, eine winzige
Erderhebung rennend meistern können? Viel wichtiger: Warum sollte sie
dies tun, wenn sie doch auch mit Eleonore gemütlich über diese Kuppel zuckeln
konnte, nur geleitet vom Rhythmus eines fernen Hufschlags?
    Frau Rubin-Enderle
drückte ihre Kippe aus, winkte die Mädchen zu ihrer Stuhlecke und teilte ohne
Hinzusehen die Gruppen ein, da sie gleichzeitig ihre Zigarettenpackung suchte,
die - verflixt noch mal! - irgendwo hingerutscht oder von den Gören
geklaut worden war? Sie fuchtelte mit beiden Armen wie ein nervöser
Verkehrspolizist, so dass die Mädchen sehr willkürlich zu ihren Gerätschaften
entsandt wurden. Ivonne seufzte ergeben, als sie blind zur Reck-Gruppe gewedelt
wurde. Bodenturnen wäre ihr lieber gewesen, da konnte sie sich ab und an auf
die Matten gleiten lassen und ausruhen, bis irgendjemand entdeckte, dass sie
eingeschlafen war.
    Susanne sollte
'Hilfestütz' machen, was sie quengelnd und mit einem Aufstampfen ihres kleinen
Fußes zur Kenntnis nahm, denn: Wie gerne hätte sie sich selbst an die Stange
geschwungen, braune, sehnige Arme und rosabestrumpfte Beine in stetem Wirbel um
die Stange, ein Kreiseln, ein Recken, ein Beinwerfen, ein Warten, ein
Hochstützen und Hinabwerfen zu erneutem Kreiseln, bis den Zuschauern ganz
kribbelig und schwindelig wurde. Und dann begeistertes Klatschen von Frau Rubin-Enderle
und den Zofen, der Anhängerschaft. Vielleicht sah auch der ein oder andere
Junge – keiner von den Volltrotteln, bitte! –  aus der Nebenturnhalle zu,
die nur durch einen schweren Vorhang von der Halle der Mädchen getrennt war,
und konnte ihre geschmeidigen Bewegungen mit gierigen Blicken verfolgen?
    Ivonne hoffte, dass
niemand, und schon gar kein männlicher Mensch, auf die Idee kam, ausgerechnet
bei ihrem nun anstehenden Zirkusauftritt um die Ecke zu

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