Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
Vom Netzwerk:
Bedeutung enthüllten. Was Warum ist egal, hatte ich ihm erklärt: Eine Methode in Frage zu stellen, nur weil man ihre praktische Ausführung nicht verstand, wäre ebenso blödsinnig, wie die Gültigkeit eines Theorems nicht anzuerkennen, nur weil man seine Formel nicht lesen konnte. Die Bedeutung war da, und es war Davides Aufgabe, sie hier und jetzt zu finden.
    "Wir versuchen zu verstehen, warum eine abgerissene Schürze den Verlust von Verantwortung und Kontrolle bedeuten kann", antwortete ich, während Jackson sich über meine Schulter lehnte und einen Blick in mein Buch warf - eine Droste-Hülshoff-Erstausgabe aus dem Jahre 1844, die ich ehrfurchtsvoll von Ciaran entgegengenommen hatte und nun nur mit spitzen Fingern anfasste.
    "Wie lange macht ihr noch?", fragte Jackson, Davide sah hoffnungsvoll von ihm zu mir.
    "Eine halbe Stunde, der Rest morgen", beschloss ich mit einem besänftigenden Hauch Zimt in der Nase und einem entspannten Abend mit Jackson vor Augen, was Davide sich deutlich motivierter wieder über seinen Text beugen ließ.
    "Gut, dann warte ich solange", sagte Jackson. "Ich möchte Davide etwas zeigen."
    Ich nickte zustimmend, Jackson lehnte sich an das Fensterbrett und sah meinen langsam verzweifelt werdenden Versuchen zu, dem Jungen die Dichte und Ausdrucksstärke von zwei Zeilen nahe zubringen, die bei ihm nichts anderes als ein hartnäckiges Stirnrunzeln hervorriefen. Jackson hielt die Hände vor der Brust verschränkt, sah auch nicht neugierig von links nach rechts, wie ich es damals in seinem Zimmer getan hatte - und anfassen, was hier so alles herumlag, würde er schon gar nicht. Auch das war ein ungeschriebenes Gesetz des Ordens, hatte ich (zu spät!) gelernt: In den Gemeinschaftsräumen konnte jeder machen, was er wollte, war man jedoch in den vier Wänden eines anderen, behielt man seine Hände in der Tasche, bildlich gesprochen. Niemand griff nach einem herumliegenden Buch, niemand blätterte in der Zeitschrift eines anderen - okay, Jackson hatte mich geradezu aufgefordert, in seinen Memoriam-Kasten zu schauen, aber ich hätte es trotzdem nicht tun dürfen. Und das nicht nur wegen der Kreuzritter-Etikette, sondern vor allem auch wegen der peinlichen Szene, die sich daraus ergeben hatte. Aber auch die Kreuzritter hielten sich nicht immer an ihre eigenen Gesetze, dachte ich, als mit Magnus neugierige Runde durch meine Wohnung einfiel, nachdem Jackson zum ersten Mal bei mir übernachtet hatte. Aber für Magnus galten ohnehin eigene Regeln, erkannte ich mit einem versonnenen Lächeln, dass Davide zu einem fragenden Blick verleitete: Wer deine Hand hält, während du grüngesichtig zur Toilette wankst, anschließend neben dir aus dem Sofa ausharrt und dich an seiner Kraft teilhaben lässt, der muss nicht förmlich um Erlaubnis fragen, wenn er dich besuchen kommt. Ebenso wenig würde ich ihm eine Nachricht schreiben, wenn ich ihn in seinem immer unordentlichen Zimmer mit allem möglichen und unmöglichen Zeug aus diversen Jahrhunderten besuchen wollte - aber wenn man in gegenseitigem Einvernehmen die Regeln beugte, war das ja wohl Okay.
    Davide knabberte noch eine halbe Stunde gleichermaßen an seinem Stift wie am Text herum, dann machte ich für heute Schluss, alles andere als zufrieden mit dem Fortschritt dieser Stunde. Jackson griff nach meiner Hand und gemeinsam gingen wir vor Davide die große Treppe hinunter, durch die Eingangshalle in das Gegenstück zur Garage, in dem Shane bei unserer Ankunft den Lieferwagen entladen hatte. Der Raum war komplett leer, bis auf einen nagelneu blitzenden Gegenstand: ein kleiner Alfa Romeo, pechschwarz, mit zwei frechen, weißen Streifen über Motorhaube und Dach.
"Für dich", sagte Jackson zu Davide und warf ihm einen Schlüssel zu, den der Junge vor lauter Verblüffung beinahe fallen gelassen hätte.
    "Erst mal nur geliehen - wenn du dein Abitur mit Gut oder besser bestanden hast, gehört er dir. Damit so was wie heute Vormittag nie wieder vorkommt", fügte Jackson scharf hinzu, was Davides seligen Gesichtsausdruck etwas trübte.
    Ach Gott, Jackson, dachte ich, und hätte fast mit den Augen gerollt - so schlimm war das doch nun auch nicht gewesen, aber Magnus hatte es meinem Kreuzritter natürlich erzählt. Also: Davide hatte angeboten, mich zu fahren, als ich zum Einkaufen nach Bozen wollte, und ich hatte einfach 'Ja klar, gerne!' gesagt, ohne mir etwas dabei zu denken. Ich kannte mich in der Stadt nicht aus und hatte nicht viel Zeit gehabt, Jackson

Weitere Kostenlose Bücher