Die facebook-Falle
geäußerte Meinung abstrafen? Nehmen wir das Beispiel eines Leiharbeiters, der es wagt, sich im Netz unter seinem Namen über unerträgliche Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bei seiner ehemaligen Firma zu äußern. Dieser Mann hätte ohne das Internet vermutlich nie ein Forum für seine berechtigte Kritik gefunden. Und dieses Forum kann sogar helfen, andere Arbeitnehmer vor dieser Firma zu warnen. Das soziale Internet erfüllt also eine demokratische Wächterfunktion. Nach den Ergebnissen der dimap-Umfrage allerdings verbunden mit der Gefahr, dass
die Wächter selbst am Ende im Abseits landen. Ein demokratisches Internet muss Menschen Mut machen, Ungerechtigkeiten anzuprangern. Es sollte möglich sein, im Netz frei über Arbeitszeiten, Stundenlöhne und Arbeitsbedingen zu debattieren, ohne dass Arbeitnehmer sich observiert fühlen müssen.
Ein Ermittler auf der Spur von Top-Managern
Nicht nur Arbeitnehmer können in die Facebook-Falle tappen. Auch Top-Manager in Spitzenkonzernen können sicher sein, dass es Leute gibt, die sich an ihre digitalen Spuren heften, Leute wie Knut Hoban. 15 Der Ermittler arbeitet für internationale Konzerne und Banken, gelegentlich auch für öffentliche Unternehmen. Für seine Arbeit braucht er nicht viel: ein Telefon, mehrere Recherchecomputer und einen bequemen Bürostuhl. Hobans großes Kapital ist sein früheres Arbeitsleben. Nach einem Studium in Berkeley und Harvard zog der Enkel deutscher Einwanderer vor gut zwanzig Jahren in das Land seiner Vorfahren. Dort arbeitete er zunächst für internationale Wirtschaftsberatungsfirmen.
Vor gut zehn Jahren machte sich Hoban dann als Ermittler mit dem Tätigkeitsschwerpunkt »Konkurrenzforschung« selbständig. Seine Aufträge führen ihn nicht selten an die Abgründe unseres Wirtschaftslebens: Er verfolgt die Spur von ins Ausland verschobenen Millionenbeträgen oder ermittelt gegen Strohmänner oder prominente Bankmanager. Für wen er am Ende arbeitet, weiß Hoban oft selbst
nicht so genau: »Häufig kenne ich den Hauptauftraggeber nicht, das läuft immer über eine andere Firma. Das schützt immer den letzten in der Kette. Also bin auch ich geschützt, weil ich angeblich nichts weiß.«
So bat ihn gerade erst ein Kunde, Informationen über eine deutsche Firma zu sammeln. Ein vermutlich britischer Investor interessiert sich für das Unternehmen. »Die wollen wissen, was in der Vergangenheit heikel gewesen sein könnte. Was ist das für eine Person? Wie soll ich meine Verhandlungen gestalten? Ist es jemand, der hart verhandelt? Gibt es etwas, das ich berücksichtigen muss? Wie ist er politisch eingebettet?« So verbringt Knut Hoban viele Tage mit Internet- und Datenbank-Recherchen oder spricht Personen aus dem Umfeld an, selbstverständlich unter einem erfundenen Vorwand.
Das Matrjoschka-Prinzip - was in der Netz-Identität steckt
Ohne Xing, Facebook, YouTube oder andere Internet-Plattformen ist Hobans Tätigkeit nicht mehr denkbar. Dabei interessiert ihn vor allem eines: Gibt es Diskrepanzen zwischen den Identitäten eines Menschen? Die Expansion sozialer Netzwerke wie Facebook ermöglicht es ihm, Menschen in ihrer Netz-Identität einschließlich sämtlicher digital auffindbarer Sozialbeziehungen zu analysieren. Das ist eine ganz neue Dimension, und Hobans Arbeit folgt dem Prinzip der Matrjoschka-Puppen: In jeder neuen Person steckt eine Fülle neuer Sozialbeziehungen, die er analysieren
muss. Nehmen wir den Fall des Bankmanagers Gerard Beauville 16 .
Vor ein paar Monaten erreichte Knut Hoban der Anruf eines Kunden. Die Leitung einer weltweit operierenden Bank hatte Beauville als neuen Vize-Direktor ausgewählt. Eine solche Position erfordert nicht nur fachliche Kompetenz und Erfahrung, sondern auch einen Bewerber mit makelloser Vergangenheit. Also beauftragte man Knut Hoban, nach möglichen Leichen im Keller von Beauville zu suchen. »Personenabklärung« heißt das in der Branche: »Ziel ist es, bei Vorhandensein von Begebenheiten, die zu Angriffsflächen werden könnten, den Vorstand entsprechend zu beraten«, so Hoban. Die »Personenabklärung« betrifft nicht nur das geschäftliche, sondern auch private Umfeld. Gibt es Affären, unbekannte Zweitwohnungen, sexuelle Vorlieben, die den Neuen auf dem Posten im Zweifelsfall erpressbar machen?
Der Ermittler durchforstet zunächst die offen zugänglichen Quellen im Netz, liest Artikel über und Interviews mit Beauville und versucht, sich ein Bild von dem Mann zu machen. Er stößt
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