Jerry Cotton - 2922 - Der lange Arm der Rache
Phil und ich hatten gerade Besuch von einem Staatsanwalt gehabt und ein paar Fragen zu einem unserer Fälle beantwortet, als Mr High in unserem Büro anrief.
»Hat der Staatsanwalt alle Fragen zu seiner Zufriedenheit beantwortet bekommen?«, fragte Mr High.
»Ja, hat er«, antwortete ich. »Ging sehr ins Detail – scheint ein sehr gewissenhafter Mann zu sein.«
»Ja, er hat sich in Boston einen guten Ruf erarbeitet und viele Kriminelle aus dem Verkehr gezogen«, sagte Mr High. »Können Sie zusammen mit Phil gleich in mein Büro kommen?«
»Gibt es einen neuen Fall?«, fragte ich.
»Einen Auftrag – ja. Einen Fall, das ist noch nicht klar«, antwortete Mr High.
»Wir sind gleich da«, sagte ich und legte auf.
»Gibt es Arbeit für uns?«, fragte Phil.
»Der Chef hat sich diesbezüglich nicht ganz klar ausgedrückt«, erwiderte ich. »Wir sollen in sein Büro kommen, dann wird er uns wohl aufklären.«
Phil stand auf. »Dann nichts wie los, wir haben schon viel zu viel Zeit im Büro verbracht.«
Ich folgte ihm. Vor Mr Highs Büro wechselten wir ein paar Worte mit Helen.
»Geht schon rein, ich bringe euch gleich Kaffee«, sagte sie abschließend.
Ich klopfte an die Bürotür und Mr High bat uns einzutreten. Er saß an seinem Schreibtisch. Ihm gegenüber sah ich eine Frau von etwa sechzig Jahren, der ich nie zuvor begegnet war. Wer war sie? Jemand von der Stadtverwaltung? Oder aus Washington?
Mr High begrüßte uns und stellte uns dann der Dame vor. »Das sind die Special Agents Phil Decker und Jerry Cotton. Zwei erfahrene Mitarbeiter des FBI, auf deren Einschätzung Sie vertrauen können.«
Dann wandte er sich uns zu. »Und das ist Miss Heather Libeliam, die mit einem ganz besonderen Anliegen zu uns gekommen ist.«
Wir schüttelten ihr zur Begrüßung die Hand und setzten uns. Noch war mir nicht klar, was wir hier sollten. Aber das würden wir bestimmt gleich erfahren.
»Es geht um eine potenzielle Mordserie«, klärte uns Mr High auf.
»Nicht potenziell, sondern faktisch und real«, korrigierte Miss Libeliam bestimmt.
Mr High nickte. »Um das zu klären, habe ich Sie herbestellt. Miss Libeliam, würden Sie den beiden Agents bitte Ihr Anliegen darlegen?«
»Natürlich«, sagte sie und gab uns zwei Zeitungen, bei denen jeweils ein Artikel eingekreist war. »Das sind die Zeitungsartikel, die mich haben vermuten lassen, dass es hier um eine Serie von Verbrechen geht, die gerade erst angefangen hat.«
Ich warf einen Blick auf die Artikel, aber Miss Libeliam fuhr fort, bevor ich weit kam. »Zuerst wurde William Gebers, ein Lehrer, überfahren. Das war vor zwei Tagen. Und dann ist gestern Abend eine junge Frau, Laura Fulborn, erschossen worden.«
»Und wie kommen Sie darauf, dass zwischen den beiden Ereignissen ein Zusammenhang besteht?«, fragte Phil. »Kannten sich die beiden?«
Miss Libeliam nickte. »Ja, sie kannten sich gewissermaßen. Beide waren als Geschworene an einem Gerichtsverfahren beteiligt, genau wie ich.«
»Das ist definitiv ein Zusammenhang«, sagte ich. »Worum ging es denn bei dem Verfahren?«
»Um die Verurteilung von Ronaldo Quantiniano zu lebenslänglicher Haft«, antwortete sie bedeutsam.
»Quantiniano, das ist doch …«, sagte Phil.
Mir war der Name auch bekannt. Ronaldo Quantiniano war der Kopf einer großen Verbrecherorganisation gewesen, der vor etwa einem Jahr aus dem Verkehr gezogen worden war. An seiner Verhaftung hatte das FBI zusammen mit dem NYPD gearbeitet. Zwei Jahre lang war gegen ihn und seine Organisation ermittelt worden, woraufhin ein aufsehenerregender Prozess folgte, bei dem er und viele seiner Helfershelfer verurteilt worden waren. Dass nun innerhalb weniger Tage zwei der am Prozess beteiligten Geschworenen ums Leben gekommen waren, hatte nichts Gutes zu bedeuten.
»Ich war deshalb bereits bei der Polizei, und der zuständige Officer hat mir versprochen, das weiterzuleiten und mich zu informieren«, fuhr Miss Libeliam fort. »Aber er war so ein junger Mann und machte nicht den Eindruck, dass er mir glauben würde. Für ihn war ich sicher nur eine alte Frau, die zu viele Krimis schaut. Deshalb wende ich mich ans FBI. Immerhin hatten Sie ja damals auch mit der Verhaftung dieses üblen Verbrechers zu tun.«
»So ist es«, sagte Phil. »Nicht wir persönlich, aber unsere Kollegen.«
Ich warf Mr High einen Blick zu. Er nickte.
»Wir danken Ihnen für den Hinweis«, sagte ich zu der Dame. »Das, was da geschehen ist, klingt auf jeden Fall verdächtig.
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