Die Fährte der Toten
sie erst mal diese Nacht überstehen. Was bedeutet, dass sie jetzt verschwinden muss. Ohne Zeugen zu hinterlassen. Lee steckt ihr Messer weg, lädt die Automatik durch und tritt durch Tür, während Franks Gelächter in ihrem Kopf widerhallt.
***
Die blinkende Reklame ist erloschen, und die Jukebox hat aufgehört, steinalte Country-Songs zu quäken. Nur das 'Geschlossen'-Schild leuchtet blutrot in der Scheibe neben der Tür. Lee packt die Waffe fester und schaut sich um. Es ist still, denkt sie. Zu still. Wo ist die Bedienung hin? Die kann doch nicht einfach so abgezischt sein. Und wo ist der dritte Typ. Wenn der jetzt los ist, um die Bullen ranzupfeifen...
Dann fällt ihr Blick auf Beths Leiche - und auf die wie aus dem Nichts auftauchende elegant gekleidete Frau, die gerade dabei ist, sich das Blut von den Händen zu wischen. Lee richtet ihre Waffe auf die Fremde, doch die Frau schüttelt nur den Kopf.
'Wer - '
'Mein Name ist Jennifer. Und du musst Lee sein. Ich habe dich schon eine ganze Weile gesucht.'
'Hast du, hm?'
Lee lässt die Waffe einen Millimeter sinken.
'Schön, jetzt hast du mich gefunden. Also - was willst du von mir? Und woher kennst Du meinen Namen?'
Jennifer mustert Lee.
‘Du bist ziemlich vorlaut, meine Liebe. Aber – du hast Mut. Wobei alles andere inakzeptabel wäre für eine Abkömmling meiner Blutslinie.'
Jennifer macht ein paar Schritte auf Lee zu, und Lee nimmt die matt schimmernden Klauen ihres Gegenübers wahr, die aussehen, als wären sie aus manikürten Porzellan. Lees Hand verkrampft sich um den Griff der Automatik. Eine falsche Bewegung, Tussi, und Du hast ein Loch im Schädel, denkt sie.
Jennifer lächelt matt.
'Beruhige dich und vergiss Dein Spielzeug. Wenn ich dich vernichten wollte, würde ich es tun. Doch ich bin nicht deine Feindin. Im Gegenteil – wir beide haben eine Menge gemeinsam. Viel mehr, als du glaubst.'
'Was meinst du damit?'
'Ich werde es dir erklären. Zu gegebener Zeit. Jetzt müssen wir uns erst einmal um die naheliegenden Dinge kümmern. Also - ist dir jemand entkommen?'
'Zwei Typen sind da hinten...' Lee deutet in Richtung der Waschräume '...die Bedienung ist ja wohl auch hin. Also – moment, da waren doch drei -'
'Mach dir darum keine Gedanken.'
‘Du hast - '
'Ja.'
Jennifer ist inzwischen an Lee vorbei in Richtung der Waschräume gegangen und wirft einen Blick durch die Tür.
'Meine Liebe, das müssen wir aber noch üben. So etwas hinterlässt man nicht. Damit erregst du Aufmerksamkeit, und das ist nicht gut. Nicht für dich und in nächster Zeit auch nicht für mich.'
'Da hätte ich mich schon noch drum gekümmert...'
Auch wenn sie nicht weiß, wie. Klar, sie hat ein bisschen Erfahrung in solchen Dingen, Frank hat ihr das eine oder andere beigebracht. Aber diese Sauerei ist eine ganz andere Nummer. Jennifer kommt zurück.
'Hättest du?'
'Ja, hätte ich. Trotzdem wüsste ich jetzt gern mal, worum es hier überhaupt gerade geht.‘
Jennifer seufzt.
'Als erstes geht es darum aufzuräumen. Also, was stehst du hier noch rum? Oder willst du das hier so hinterlassen?'
'Was soll ich denn machen?'
Jennifer schüttelt sachte den Kopf.
'Nimm Dein Messer und stech hier und dort noch mal zu. Hol den Kerl von draußen rein und mach das gleiche mit ihm. Dann sammel das Geld von ihnen ein. Aber nur das Bargeld. Keine Karten oder ähnliches. Und vergiss nicht die Kasse leer zu machen. Das Ganze soll schließlich wie ein Raubmord aussehen. Einer Überprüfung wird das zwar nicht standhalten, aber es gibt uns den Vorsprung, den wir brauchen.'
‘Du meinst das ernst, nicht wahr?'
Jennifer sieht Lee nur schweigend an, und nach kurzem Zögern macht Lee sich fluchend an die Arbeit, während Jennifer auf einen Barhocker Platz nimmt, von dem aus sie die Tür und das Fenster zur Straße gut im Blick hat.
'Man kann die Handschrift deines Lehrers kaum übersehen. Um es einmal freundlich auszudrücken, du gibst dir nicht wirklich Mühe, subtil zu sein. Ganz und gar nicht. Daran müssen wir arbeiten. Und das werden wir auch. Du bist ja noch jung. An Jahren.'
Jennifer lächelt, und Lee möchte ihr das Grinsen mit einem gezielten Schlag aus dem Gesicht zaubern. Nur ist sie sich inzwischen sicher, dass das alles andere als eine gute Idee ist. Genervt fährt Lee mit ihrer Arbeit fort. Nachdem sie endlich fertig ist,
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