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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Flüchen der Gespannführer durch den Schlamm, und immer neue Kavallerieschwadronen und Infanteriekompanien zogen die Straße hinab.
    Die Soldaten fanden wenig Gnade vor Pfeyfers gestrengen Augen. Ihre bloße Zahl und die für sie aufgebotenen Mengen an Ausrüstung mochten eindrucksvoll sein, doch ihre lasche Haltung und ihr nachlässiges Äußeres missfielen ihm ebenso wie ihre billigen blauen Uniformen, die formlos wie Säcke wirkten. Ihr Gleichschritt war nur als schlechter Scherz zu bezeichnen und hätte jedem einzelnen von ihnen auf einem preußischen Kasernenhof längst stundenlanges Strafexerzieren eingetragen. Beim Anblick dieser Männer konnte Pfeyfer nur abfällig die Stirn runzeln, mochten es auch noch so viele sein.
     
    Nach einem ermüdenden Marsch im Geschwindschritt, den er zu seinem Erstaunen ohne nennenswerte Beschmutzung seiner Hose hinter sich gebracht hatte, erreichte Pfeyfer endlich das Weiße Haus am südlichen Ende der Pennsylvania Avenue. Er näherte sich dem Eingangstor, das von Infanterieposten bewacht wurde. Pfeyfer war natürlich im Bilde darüber, dass es sich um Soldaten des 150. Pennsylvania-Regiments handelte, die seit einiger Zeit die Sicherheit des Präsidenten gewährleisten sollten. Er wusste auch, dass der Präsident ihre Anwesenheit zunächst nur widerstrebend hingenommen hatte. Zuvor hatte er jeden militärischen Schutz abgelehnt und allerhöchstens zu einzelnen Anlässen einen Leibwächter von der Detektivagentur Pinkerton angefordert, wenn es unvermeidlich schien. Doch er war lange Zeit nicht von seinem Standpunkt abgerückt, dass sich der gewählte Präsident einer Republik nicht wie ein misstrauischer Tyrann durch einen Kordon von Bewachern von den Bürgern abschotten dürfe. Erst als der Bürgerkrieg andauerte und enge Vertraute ihm eindringlich klarmachten, dass jeder hitzköpfige Parteigänger des Südens mühelos mit einer Waffe zum Oberhaupt der Vereinigten Staaten vordringen könne, hatte er sich bewegen lassen, eine ständige militärische Bewachung zu akzeptieren. Nicht aus Angst um seine Person, wie er hervorhob, sondern weil er fürchtete, sein unzeitiger Tod durch die Hand eines Attentäters könnte alles zunichtemachen, wofür er sich eingesetzt hatte.
    Somit standen nun blau uniformierte Wachen mit aufgepflanzten Bajonetten am weit geöffneten schmiedeeisernen Gittertor, das in den Garten des Präsidentenpalastes führte. Pfeyfer nahm an, dass er sich legitimieren müsste, um Zutritt zu erhalten, und bereitete sich darauf vor, das Schreiben vorzuzeigen, mit dem man ihn hierher befohlen hatte. Doch er stellte verblüfft fest, dass keiner der Soldaten Anstalten machte, ihn aufzuhalten. Sie traten angesichts seiner eindrucksvollen Uniform vorsichtshalber ins Gewehr und sahen ihn neugierig an, da er mit Sicherheit der erste Neger mit Offiziersepauletten war, den sie zu Gesicht bekamen. Aber sie ließen ihn ungehindert passieren.
    Verständnislos schüttelte Pfeyfer den Kopf. Wozu sollten Wachen gut sein, die den Eintritt nicht verwehrten?
Wen kümmert’s,
dachte er schulterzuckend,
die seltsame Pflichtauffassung der Amerikaner ist nun wirklich nicht mein Problem.
    Er hielt auf das Eingangsportal des Weißen Hauses zu, vor dem an zwei hohen Masten das Sternenbanner und das weiße Flaggentuch mit dem schwarzen Adler Preußens nebeneinander regenfeucht hinabhingen.
     
    Überladene Pracht zeichnete den Prince of Wales Room aus. Er war einer der Räume in der oberen Etage des Weißen Hauses, die Staatsgästen angemessene Unterkunft boten. Benannt war er nach dem bis dato höchstrangigen Besucher, doch es stand zu vermuten, dass er nach dem Aufenthalt des Königs von Preußen bald einen neuen Namen erhalten würde.
    Das erdrückend aufwendige Dekor sagte Pfeyfer, der eher spartanische Einrichtungen bevorzugte, überhaupt nicht zu. Und auch der Mann, dem er inmitten des plüschigen Prunks gegenübersaß, war ihm vom ersten Moment an von Herzen zuwider. Statt des Königs hatte Pfeyfer nur dessen Adjutanten angetroffen, einen Oberst von Lenschow, dessen unangenehme Präsenz den Raum noch unerträglicher machte.
    Der Oberst ließ bis zur näselnden Sprechweise kein Klischee des Potsdamer Gardeoffiziers aus und legte gegenüber Pfeyfer wie selbstverständlich auch jene gönnerhafte Herablassung an den Tag, mit der Angehörige der Garderegimenter gerne zeigten, wie weit überlegen sie sich doch Offizieren aus der Provinz dünkten. Jede vordergründig freundliche Geste diente

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