Die Falken Gottes
zu, um sie davon abzuhalten, das Gift zu schlucken, doch sie hatte die Hand schon zum Mund geführt, und er konnte hören, wie ihre Zähne die todbringenden Körner zermahlten.
»Svante, nein!« rief er und wollte sie greifen, doch sie ließ sich nach hinten fallen und stürzte über das Treppengeländer auf die Tenne. Ein dumpfer Laut war zu hören, als sie auf dem festgestampften Lehmboden aufschlug.
Magnus eilte die Treppe hinab und hockte sich zu ihr. Aus Svantes Nase floß Blut, und ihr Körper zuckte unter der Qual des Giftes, das sie ersticken ließ. Sie gab ein kurzes Würgen von sich. Ihre Hand suchte die seine. Magnus umschloß ihre Finger. Svante bewegte den Mund, doch ihre Lippen blieben stumm. Bald darauf flackerten ihre Augenlider, und sie starb.
|303| Kapitel 30
Ein Page öffnete ihm die Tür. Magnus trat in die Kammer, in der Salvius ihn erwartete, doch er blieb stehen, kaum daß er die Türschwelle passiert hatte.
Das Zimmer diente Johan Adler Salvius als eine Art Empfangsraum, in dem er mit seinen Gästen im kleinen Kreis Gespräche führte. Neben einem Schreibpult befand sich hier noch ein Tisch mit vier Stühlen, an dem der Gesandte auch des öfteren zu speisen pflegte.
Salvius, der am Fenster das letzte Tageslicht nutzte, um ein Schriftstück zu überfliegen, schaute zu Magnus auf und betrachtete mit einem Stirnrunzeln dessen bandagierte Hände.
»Es wäre wohl nicht angeraten, dir meine Hand zum Gruß zu reichen«, spottete der Gesandte. Er rollte das Papier zusammen und schob es in eine lederne Hülle. »Du bist also zurück aus Münster. Wie ist es dir ergangen? Schlecht schaust du aus. Mir ist zu Ohren gekommen, du hättest deine Frau in großer und berechtigter Sorge zurückgelassen, weil du am Tag vor deiner überstürzten Abreise kaum einen Fuß vor den anderen setzen konntest.«
Magnus schluckte. »Svante ist tot.«
»Tot?« Jeder Spott in Salvius’ Zügen erstarb. »Was, um Himmels willen, ist geschehen?«
»Ein Sturz. Sie starb vor wenigen Stunden.«
»Ein Sturz?« fragte Salvius erstaunt. »Aber wo …«
»In meinem Haus.« Magnus holte tief Luft. Jedes Wort brachte aufs neue die gräßlichen Bilder der vergangenen Stunden hervor. Er wollte sie fortzwingen und in den hintersten |304| Winkel seines Kopfes verbannen, dorthin, wo sie ihn nicht mehr quälen konnten, doch es gelang ihm nicht.
»Und trotz dieses schrecklichen Vorfalls suchst du mich auf, um mir Bericht zu erstatten?« Der stämmige Gesandte deutete auf Magnus’ Hüfte. »Mir ist aufgefallen, daß du humpelst.«
»Man hat auf dem Weg nach Osnabrück versucht, mich zu töten, aber die Wunde ist kaum der Rede wert.«
Salvius rieb nachdenklich sein Kinn und bat Magnus dann an den Tisch. »Setz dich zu mir, Magnus. Ich nehme an, du hast mir viel zu erzählen.«
Magnus schüttelte den Kopf. »Jemand anderes wird sich Euch erklären.«
»Und wer soll das sein?«
Magnus tat einen Schritt zur Seite und machte Königin Christina Platz, die nun hinter seinem Rücken hervortrat und dabei den Kopf gesenkt hielt. Sie wirkte wie ein Kind, das einen großen Unfug getrieben hatte und sich nun dem Urteil des gestrengen Vaters stellen mußte. Ihr Gesicht war von einer auffälligen Blässe überzogen, und noch immer taumelte sie ein wenig. Magnus hatte einen Arzt für Christina rufen lassen, und nachdem der ihr ein Brechmittel verabreicht hatte, waren ihre Sinne wieder einigermaßen klar geworden.
Als Salvius die Königin erkannte, wirkte sein Gesicht plötzlich ebenfalls leichenblaß. Der Gesandte legte eine Hand auf den Tisch, um sich abzustützen. Wahrscheinlich waren ihm die Knie weich geworden.
»Majestät«, brachte er hervor. »Ihr seht mich bestürzt.«
Christina lächelte ihn an. »Ich grüße Euch, mein werter Freund.«
Der verwirrte Salvius vollführte eine elegante Verbeugung.
»Die Königin hat Euch viel zu berichten«, sagte Magnus |305| und zog einen der Stühle für Christina heran. Sie setzte sich, und er klopfte Salvius aufmunternd auf die Schulter. »Nicht alles davon wird Euch gefallen.«
Es regnete, als Magnus die schwedische Gesandtschaft verließ. In der Nähe suchten die Männer und Frauen Schutz unter den Arkaden, in den Hauseingängen und unter Bäumen, doch Magnus begrüßte die Kühle, die dieser Guß mit sich brachte. Seit Svantes Tod fühlte er sich wie betäubt, und erst der Regen, der von der Krempe seines Hutes auf sein Gesicht tropfte, machte seinen Kopf ein wenig freier, so daß er
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