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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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gegen mich angewandt hat?«
    »Vielleicht war er ein Hexenmeister«, raunte Lene. Sie legte eine Hand vor den Mund und zog ein Gesicht, als wäre sie über diese Erkenntnis erschrocken. Anneke dachte über diese Vermutung nach. Ihr Vater hatte stets behauptet, die Furcht vor Hexen und Zauberern beruhe auf Aberglauben und Einbildung. Doch vor etwa zehn Jahren hatte man in Osnabrück eine umfassende Verschwörung von Zauberinnen aufgedeckt. Mehr als sechzig Frauen waren damals des |27| Verbrechens der Hexerei überführt und hingerichtet worden. Ein Nachbarsbursche hatte ihr damals so schauerliche Dinge über die heidnischen Zusammenkünfte der Teufelsbuhlen erzählt, daß Anneke sich eine Zeitlang vor jedem alten Weib gefürchtet hatte.
    Auch wenn diese Ereignisse lange zurücklagen, war es nicht ausgeschlossen, daß der Mann im Wald, der für einen kurzen Augenblick von den Toten zurückgekehrt war, mit dem Teufel im Bunde gestanden hatte.
    Der Nachbarsjunge hatte behauptet, daß jeder Diener Luzifers ein Mal an seinem Körper trug, das der Teufel als äußeres Zeichen für die Besiegelung des unseligen Paktes hinterlassen habe. Konnte es möglich sein, daß man in den Bann dieser Dämonen geriet, ohne wissentlich auf die Seite des Bösen zu treten?
    Kurzentschlossen drückte Anneke Lene das Talglicht in die Hand und zog ihr Hemd aus. Nun stand sie nackt vor Lene und wies sie an: »Versuche mit dem Licht ein Stigma zu finden.«
    Lene führte das Licht so nah an Annekes Haut entlang, daß sie ab und an vor der Flamme zurückzuckte. Nachdem Lene Annekes Bauch und die Schultern abgesucht hatte, stutzte sie und fragte: »Wie sieht denn so ein Stigma überhaupt aus?«
    »Was weiß denn ich?« meinte Anneke. »Es könnte ein auffälliger roter Fleck sein. Eine Warze oder eine Narbe, die zuvor nicht da war.«
    »Und woher soll ich wissen, welche dieser Warzen und Narben vorher nicht da waren?« murrte Lene. »Oft sehe ich dich nicht so nackt vor mir stehen.«
    Anneke hob ihre Brüste an. »Schau vor allem an den Stellen nach, an denen man ein solches Mal nicht sofort erkennen würde. Hier unter meinen Brüsten, unter den Achseln oder zwischen den Hinterbacken.«
    |28| Lene verzog angewidert das Gesicht. »Soll ich dort wirklich alles mit dem Talglicht ausleuchten?«
    »Nun stell dich nicht so an«, erwiderte Anneke. »Das hier ist wichtig. Und eil dich, sonst überrascht uns noch deine Mutter.«
    Lene schwieg und setzte die Suche fort. Nachdem sie Annekes gesamten Körper in Augenschein genommen hatte, reichte sie ihr das Hemd und sagte: »Du hast drei Leberflecken auf dem Rücken, eine kleine Warze am Hals und einen übelriechenden Anus.« Sie drückte mit zwei Fingern ihre Nase zu. »Also nichts Ungewöhnliches für einen Menschen.«
    Anneke kleidete sich an und kämmte sich. »Vielleicht war es also doch kein Hexenmeister«, sagte sie. »Aber es ist möglich, daß die Seele dieses Mannes keine Ruhe findet, weil seine Leiche nicht begraben wurde.« Niemand hatte sich um den Toten gekümmert. Seybert Monsbach und auch dessen Frau hatten Anneke verboten, jemandem von dem Mord zu erzählen. Sie wollten nichts mit diesem Vorfall zu schaffen haben, und so hatte Anneke einzig mit Lene darüber gesprochen und fortan einen großen Bogen um den Ort gemacht, an dem der Mann gestorben war. Lucia Monsbach hatte sich ohnehin weitaus mehr darüber aufgeregt, daß Anneke das Gebetbuch an sich genommen hatte. Diese Verfehlung war mit zwanzig Stockhieben auf Annekes Finger abgestraft worden. Die Monsbach-Wirtin hatte so fest zugeschlagen, daß Annekes Hände auch nach fünf Tagen noch schmerzten.
    »Ich glaube, er findet keine Ruhe und sucht dich in deinen Träumen heim, weil er dir einen Auftrag erteilt hat, um den du dich aber nicht kümmerst«, vermutete Lene.
    »Du meinst, daß ich Magnus Ohlin aufsuchen soll?« Anneke zog die Stirn kraus. Gewiß – der Mann hatte ihr gesagt, sie solle zu diesem Magnus Ohlin gehen, doch er war gestorben, |29| bevor er ihr verraten hatte, wo sie Ohlin finden konnte. Warum also sollte sie sich die Mühe machen, nach dieser Person zu suchen, wo es ihr doch nicht erlaubt war, sich von der Schenke zu entfernen.
    »Du mußt ihn finden, Anneke.« Lene zog eine ernste Miene. »Ansonsten wird dich dieser Geist so lange im Schlaf heimsuchen, bis du dem Wahnsinn anheimfällst.«
    Anneke schob sie zur Tür. »Laß uns endlich nach unten gehen, sonst wird mich deine Mutter heimsuchen, und ich frage mich, welche

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