Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
ist spät.« Albrecht und Jan warten bestimmt schon mit den Pferden, setzte sie in Gedanken hinzu.
»Aber er kommt hierher!«, rutschte es Margot heraus.
Margarethe horchte auf. Was reimte sich Margot denn jetzt schon wieder zusammen? Jan Hus war tot, zum Schweigen gebracht durch Verrat und Wortbruch.
»Wer …? Wer kommt hierher?«
Margot setzte erneut eine geheimnisvolle Miene auf. »Erst, wenn du mir versprichst, dass du mein Geschenk annimmst.«
»Ich dachte, das hätten wir geklärt, und erpressen lasse ich mich schon gar nicht.«
»Dann, dann …« Margot begann zu stammeln, als sie merkte, dass sie durchschaut worden war. »Dann verwahre das Döschen wenigstens für mich. Von Zeit zu Zeit könnten wir es vielleicht gemeinsam verwenden.«
Mit bittender Miene hielt Margot ihr die Hand mit dem Gefäß entgegen. Zögernd griff die Rothaarige danach. Im Grunde wollte die Kleine ihr ja nur eine Freude machen. Woher sollte sie auch wissen, dass ein so teures Geschenk nicht angemessen war. Bislang hatte sie nicht einen Gedanken an Geld verschwenden müssen. »Gut, aber ich bewahre es nur auf, verstanden?« Margarethe seufzte.
Begeistert klatschte Margot in die Hände. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und flüsterte: »Jan Zelivsky.«
Erstaunt sah Margarethe das Mädchen an. »Der Zelivsky?«, hakte sie nach.
Der Prediger galt als der begabteste aller Hussitenschüler und als begnadeter Redner. Er wurde natürlich genau wie alle anderen Hussiten als Ketzer verfolgt, doch bislang hatte man seiner nicht habhaft werden können. Wenn er jetzt nach Prag, in die Hochburg der Anhänger des Hus kam, würde das für Unruhe im Volk sorgen.
Margot grinste breit, als sie Margarethes nachdenkliches Gesicht sah. Sie hatte also doch etwas Wichtiges aufgeschnappt.
»Weißt du, wann?«, hakte die Rothaarige nach und versuchte, nicht zu interessiert zu klingen.
»Schon bald«, meinte Margot ernsthaft. »Aber ich verrate es sonst niemandem, nur dir.«
»Das ist auch gut so! Und jetzt marsch an die Arbeit, sonst fangen wir uns noch Tadel ein. Schau, die anderen sind schon gegangen.«
»Du hast’s heute eh gut. Du hast frei! Was wirst du tun? Dich mit Albrecht und Jan treffen? Welcher von beiden ist denn dein Schatz? Nein, warte, du brauchst nichts zu sagen: Albrecht natürlich … Ach, den find ich auch so toll. Wenn er dich nicht mag, darf ich ihn dann haben?«
»Untersteh dich!«, schimpfte Margarethe und hob drohend den Zeigefinger. »Du bist noch viel zu jung für so etwas.«
»Aber du nicht!«, entgegnete Margot lachend und hüpfte über den mit Steinen ausgelegten Gartenweg, bevor Margarethe ihr eine Kopfnuss geben konnte.
Im Palas, dem Hauptgebäude des Schlosses, war es trotz der Pechfackeln dunkel und kalt. Margarethe zog ihr Tuch enger um die Schultern. Bevor sie endgültig freinehmen konnte, musste sie erst noch einmal im hinteren Flügel bei den Kindern nach dem Rechten sehen. Im letzten Sommer hatte die Königin ihr angetragen, sich um das Wohl der zahlreichen Sprösslinge der verheirateten Hofdamen ihres sowie Wenzels Haushalts zu kümmern. Margarethe hatte diese Aufgabe dankend übernommen, bot sie doch Gelegenheit, Katerinas scharfer Zunge zu entkommen. Zudem machte ihr die Arbeit Spaß, auch wenn die Kleinen sie ganz schön auf Trab hielten und ihr zuweilen noch nachts im Bett die Ohren von Kindergeschrei dröhnten. Aber dann gab es diese Augenblicke, in denen sich eines der Kleinen vertrauensvoll an sie schmiegte oder sie mit leuchtenden Augen anstrahlte. Dann war alle Mühe vergessen. Eines Tages, da war sich Margarethe ganz sicher, würde sie mit Albrecht eigene Kinder haben und dieses Glück in vollen Zügen genießen. Heute allerdings machte ihr die Kinderschar erst einmal einen dicken Strich durch die Rechnung. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, schoss einer der Domestiken auf Margarethe zu. Ohne sich viel Zeit für eine Verbeugung zu nehmen, keuchte er: »Herrin, der Kamin im Spielzimmer! Alles ist voller Qualm.«
Margarethe erschrak. Ein Brand!, dachte sie sofort, und fragte: »Die Kinder! Ist ihnen etwas geschehen?«
»Nein, nein«, beruhigte sie der Mann. »Wir haben sie in den Garten gebracht und das Feuer gelöscht.«
Margarethe atmete tief durch. Ihr Herz klopfte immer noch wie wild. Die Flammen waren gelöscht. Ihre Schützlinge waren in Sicherheit. Niemand war zu Schaden gekommen.
»Heilige Mutter Gottes hab Dank«, flüsterte sie.
Der Domestik scharrte
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