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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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auch nur die Hand unters Jackett
hatte schieben können. Schreie im Publikum. Auf dem Podium regte sich nichts.
Der Sanitäter war getroffen, sackte in die Knie, seine Waffe flog irgendwohin,
so weit, dass er sie in keinem Fall noch erreichen würde.
    Der Schuss war aus einer Waffe hinter mir gefallen, wurde mir mit
einer Verzögerung von vielleicht einer halben Sekunde bewusst. Ich fuhr herum,
in der Hand endlich meine Heckler & Koch.
    Fünf Schritte hinter mir stand Helena, einen schweren Revolver mit
beiden Händen immer noch auf den Menschen am Boden gerichtet, die Augen weit,
der Blick verständnislos, vielleicht sogar ein wenig irre.
    Orientierungslos.
    Ãœberall wurde jetzt geschrien. Menschen sprangen auf, drängten,
flüchteten. Hinter dem sandfarbenen Vorhang hechteten Männer hervor. Helena
ließ ihre Waffe immer noch nicht sinken. Sie schien erstarrt zu sein im
Schrecken darüber, was sie getan hatte.
    Nein, nun kam doch Bewegung in sie. Sie schwenkte den Lauf ihrer
Waffe in Richtung Podium, hob ihn eine Winzigkeit an.
    Was macht sie da? Sie ist doch …?
    Zwei Schüsse knallten fast gleichzeitig, einer davon aus meiner Waffe,
die hart zurückschlug. Noch mehr Schreie, Getrampel, Panik. Ich wurde
angerempelt, taumelte, sah Helena in sich zusammenfallen. Ich hatte geschossen.
Ich hatte sie getroffen. Die falsche Frau. Oder doch nicht?
    Hatte sie nicht auf Henderson gezielt und …? Sie war aber doch …
    Ich konnte nichts denken in all dem Geschrei und Gerenne. Aber ich
konnte laufen. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr.
    Blut. Überall.
    Ich kniete nieder, bettete, um irgendetwas zu tun, Helenas Kopf auf
meine Oberschenkel. Sie lebte! Sie öffnete die Augen, lächelte mich an. Mich,
den Mann, der auf sie geschossen hatte. Ohne Vorwurf. Dankbar fast.
    Jemand stieß mich unsanft zur Seite. Der Arzt, so blass, wie die
dicke Amerikanerin eben noch gewesen war, fummelte hektisch an Helena herum,
rief etwas, was ich wegen des Dröhnens in meinen Ohren nicht verstehen konnte.
Helena hatte die Augen jetzt wieder geschlossen. Empörend grob und
rücksichtslos sprang er mit ihr um. Er riss sie hoch, schon lag sie auf einer
Trage. Ich setzte mich auf den weichen Boden, rutschte zur Seite, um nicht im
Weg zu sein.
    Ich hatte geschossen. Und ich hatte sie getroffen. Wer hatte zuerst
abgedrückt? Sie oder ich? Auch auf der Bühne war jetzt große Aufregung,
natürlich. Die Minister schienen wohlauf zu sein, wurden gerade hinter den
Vorhang gezerrt. Jetzt erst? Wie viel Zeit war vergangen, seit Judith Landers
ihre Waffe auf Henderson gerichtet und Helena ihren ersten Schuss abgegeben
hatte? Eine Minute? Zwei? Auf meinen Hosenbeinen Blut. Viel zu viel Blut. Meine
Oberschenkel waren nass von Helenas heißem Blut.
    Â»Are you okay?«, hörte ich jemanden über mir sagen, der offenbar
schon seit einer Weile an meiner Schulter rüttelte.
    Ich nickte.
    Mein Handy.
    Wieder Sönnchen.
    Â»Herr Gerlach, was ist denn da los, um Gottes willen? Wo sind Sie?«
    Â»In der Hölle«, erwiderte ich mit einer Stimme, die mir selbst fremd
war, und legte das Handy zur Seite.
    Jemand begann, mich mit routinierten Bewegungen abzutasten. Rote
Jacke, vermutlich ein anderer Notarzt. Oder derselbe. Wer weiß. Ein Licht
blendete mich.

55
    Sie sagen, ich hätte Henderson das Leben gerettet. Das ist
aber nicht wahr. Inzwischen weiß ich, dass Helena schon abgedrückt hatte, als
meine Kugel sie traf. In den Hals. Ich habe die Videoaufzeichnungen gesehen.
Später. Wieder und wieder. Sie war nicht tot, als man sie wegschaffte. Auf dem
Weg zur Klinik starb sie zweimal, wurde zweimal wiederbelebt. Als sie endlich
die Notaufnahme erreichten, war nichts mehr zu machen.
    Ich selbst kam auf einer Art Feldbett in dem Raum zu mir, wo sich
die Ärzte und Sanitäter in Bereitschaft gehalten hatten, darunter auch Judith
Landers, die Terroristin, als Sanitäter verkleidet, als Mann.
    Ich erholte mich rasch. Irgendwann kam jemand mit einem alten
Siemens-Handy und fragte, ob es vielleicht mir gehöre. Genau in dem Moment, als
er es mir in die Hand drückte, rief Sönnchen zum dritten Mal an.
    Â»Geht’s Ihnen gut, Herr Gerlach?«, fragte sie aufgelöst. »Ich hab’s
im Radio gehört. Mein Gott, die arme Frau Guballa!«
    Â»Ich habe sie erschossen«, sagte eine Stimme, die wohl meine war.
    Â»Im Radio sagen sie, wenn Sie nicht

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