Die falsche Geliebte (German Edition)
und Nebenräume an, weiß das Auge so gut zu täuschen, daß man sich behaglich zu fühlen glaubt. Kurz, es wimmelt derart von Wohnungen, daß eine Herzogsfamilie sich in dem alten Backhaus eines Gerichtspräsidenten bewegt.
Das Haus der Gräfin Laginska, eine dieser Neuschöpfungen in der Rue de la Pépinière, liegt zwischen Hof und Garten. Rechterhand, im Hofe, ziehen sich die Wirtschaftsgebäude hin, links entsprechend die Remisen und Ställe. Die Portiersloge befindet sich zwischen zwei reizenden Toreinfahrten. Der große Luxus des Hauses besteht in einem entzückenden Treibhaus, anschließend an ein Boudoir im Erdgeschoß, in dem sich prächtige Empfangsräume ausbreiten. Ein aus England vertriebener Philanthrop hatte das Juwel der Baukunst errichtet, das Treibhaus entworfen, den Garten gezeichnet, die Türen lackiert, die Wirtschaftsgebäude nach Backsteinart bemalt, die Fenster grün angestrichen und einen jener Träume verwirklicht, wie es bei gleichen Maßverhältnissen Georg IV. in Brighton getan hatte. Der geschickte, fleißige und flinke Pariser Handwerker hatte die Türen und Fenster gemeißelt. Die Decken waren dem Mittelalter oder venezianischen Palästen nachgebildet, die Wände reich mit Marmorplatten belegt. Elschoet und Klagmann hatten die Sopraporten und Kamine ausgeführt. Schinner hatte die Decken prächtig bemalt. Die Pracht der Treppe, die weiß wie ein Frauenarm war, stritt mit der des Hotels Rothschild um den Vorrang. Dank der Aufstände betrugen die Kosten für diese Narrheit nicht mehr als elfhunderttausend Franken. Für einen Engländer war es geschenkt. Dieser ganze Luxus, der von Leuten, die nicht mehr wissen, was ein wahrer Fürst ist, fürstlich genannt wird, erfüllte den alten Garten des Hauses eines Armeelieferanten, eines Krösus der Revolution, der nach einem Börsenkrach bankrott in Brüssel gestorben war. Der Engländer starb in Paris an Paris, denn für viele ist Paris eine Krankheit; es ist manchmal soviel wie mehrere Krankheiten. Seine Witwe, eine Methodistin, bekundete den größten Abscheu für das Häuschen des Nabobs. Der Philanthrop war Opiumhändler gewesen. Die tugendhafte Witwe ordnete den Verkauf des anstößigen Besitzes um jeden Preis an, in dem Augenblick, als die Aufstände den Frieden in Frage stellten. Graf Adam machte sich diese Gelegenheit zu nutze, wie, wird man erfahren, denn nichts lag weniger in seinen herrschaftlichen Gewohnheiten. Hinter dem Hause, das aus melonenartig geriffelten Steinen erbaut war, dehnt sich der grüne Samt eines englischen Rasenbeets, im Hintergründe beschattet von einer schön gewachsenen Gruppe exotischer Bäume, aus der sich ein chinesischer Pavillon mit seinen stummen Glocken und seinen unbeweglichen vergoldeten Eiern erhebt. Das Treibhaus mit seinen phantastischen Bauten verkleidet die südliche Abschlußmauer. Die andere Mauer gegenüber dem Treibhaus wird durch Kletterpflanzen verdeckt, die durch grün bemalte und mit Querhölzern verbundene Stangen eine Art von Portikus bilden. Diese Wiese, diese Blumenwelt, diese sandbestreuten Alleen, dies Scheinbild eines Waldes, diese luftigen Holzkonstruktionen nehmen einen Raum von 25 Quadratruten ein, die nach heutigem Preis, 400 000 Franken, soviel wert sind wie ein wirklicher Wald. In dieser stillen Oase inmitten von Paris singen die Vögel, Amseln, Nachtigallen, Buchfinken, Grasmücken und viele Sperlinge. Das Treibhaus ist ein riesiger Blumenkorb mit düfteschwerer Luft, in dem man zur Winterszeit lustwandelt, als ob der Sommer in aller Glut leuchte. Die Vorkehrungen, durch die man sich eine beliebige Atmosphäre von Torrida, China oder Japan verschafft, sind geschickt vor den Blicken versteckt. Die Röhren der Dampfheizung sind mit Erde bedeckt und erscheinen dem Blick als blühende Blumengirlanden. Geräumig ist das Boudoir. Das Wunderwesen, die Fee von Paris, Baukunst genannt, versteht es, auf engem Raum alles groß erscheinen zu lassen. Das Boudoir der jungen Gräfin war das Meisterstück des Künstlers, dem die Neueinrichtung des Hauses von Graf Adam übertragen war. Unmöglich ist hier ein Fehltritt, es stehen zuviel Nippessachen herum. Ein Liebespaar fände keinen Raum zwischen den geschnitzten chinesischen Arbeitstischchen, auf denen das Auge Tausende von wunderlichen Figuren in Elfenbeinarbeit erblickt, mit denen zwei chinesische Familien sich abgemüht haben ; zwischen den Schalen aus Rauchtopas, die auf einem Filigranfuß ruhen, Mosaiken, die zum Diebstahl
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