Die falsche Geliebte (German Edition)
aufreizen, holländischen Gemälden, wie Schinner sie malt, Engeln, wie sie Steinbock entwirft, der die seinen nicht immer ausführt, Statuetten von der Hand von Genien, die von ihren Gläubigern verfolgt werden (die wahre Deutung der arabischen Mythen), prächtigen Skizzen unsrer ersten Künstler, Vorderteilen von Truhen, die als Wandvertäfelung mit phantastischen indischen Seidenstücken abwechseln, Türvorhängen, die in goldner Flut von einer Gardinenstange aus schwarzem Eichenholz herabrauschen, auf der eine ganze Jagdszene wimmelt, Möbeln, die einer Pompadour würdig sind, einem Perserteppich usw. Und ein letzter Reiz: diese Schätze verklärt ein gedämpftes Licht, das durch zwei Spitzenvorhänge sickert und sie noch reizvoller macht. Auf einer Konsole zwischen Altertümern eine Reitpeitsche, deren Knopf Fräulein von Fauveau geschnitzt haben soll und die verrät, daß die Gräfin gern reitet. So sieht ein Damenzimmer im Jahre 1837 aus, eine Ausstellung von Waren, die den Blick unterhalten, als würde die unruhigste und beunruhigteste Gesellschaft der Welt von Langeweile bedroht. Warum nichts Intimes, nichts, was zum Träumen, zur Stille einlädt? Warum? Niemand ist des nächsten Tags sicher, und jeder genießt das Leben als verschwenderischer Wucherer.
Eines Morgens lag Clementine mit nachdenklicher Miene auf einem jener wundervollen Ruhebetten, von denen man nicht wieder aufstehen mag, so gut verstand der Tapezierer, der sie schuf, sich auf gepolsterte Bequemlichkeiten und angenehme Ruhelager für das dolce far niente. Durch die offenen Türen des Treibhauses drangen die Düfte der tropischen Pflanzen und Blumen herein. Die junge Frau blickte Adam an, der vor ihr einen eleganten Nargileh rauchte, die einzige Art von Rauchen, die sie in diesem Zimmer erlaubt hatte. Die Türvorhänge, durch elegante Klammern gerafft, gewährten einen Ausblick auf zwei prächtige Salons, der eine in Weiß und Gold wie im Haus Forbin-Janson, der andere im Renaissancestil. Der Speisesaal, der in Paris nicht seinesgleichen hat, außer im Hause des Barons von Nucingen, ist am Ende einer kleinen Galerie mit Decke und Ausstattung mittelalterlichen Stils. Auf der Hofseite liegt vor der Galerie ein großes Vorzimmer, aus dem man durch Glastüren auf die Wunder des Treppenhauses blickt.
Das gräfliche Paar hatte soeben gefrühstückt. Der Himmel war eine blaue Glocke ohne ein Wölkchen; der April ging zu Ende. Die Ehe zählte schon zwei glückliche Jahre, und Clementine hatte erst seit ein paar Tagen entdeckt, daß in ihrem Hause etwas vorging, was einem Geheimnis, einem Mysterium ähnelte. Der Pole – sagen wir das noch zu seinem Ruhme – ist im allgemeinen schwach gegen Frauen. Er ist so voller Zärtlichkeit für sie, daß er in Polen ihr Knecht wurde, und obwohl die Polinnen hervorragende Frauen sind, wird der Pole von einer Pariserin noch viel rascher geschlagen. Und so verfiel Graf Adam, durch Fragen in die Enge getrieben, nicht einmal auf den harmlosen Kniff, seiner Frau sein Geheimnis zu verkaufen. Bei einer Frau muß man stets aus einem Geheimnis Vorteil ziehen; sie dankt es einem, wie ein Spitzbube seine Achtung einem ehrlichen Menschen erweist, der sich nicht beschwindeln läßt. Weniger redegewandt als mutig, hatte der Graf nur die Bedingung gestellt, erst zu antworten, wenn er seinen mit Tabak gefüllten Nargileh aufgeraucht habe.
»Unterwegs«, sagte sie, »antwortetest du mir bei jeder Schwierigkeit: ›Paz wird es in Ordnung bringen!‹ Du schriebst nur an Paz. Seit wir zurück sind, sagt jeder zu mir: ›Der Kapitän!‹ Will ich ausgehen: DerKapitän! Soll eine Rechnung bezahlt werden: Der Kapitän. Lahmt mein Pferd, so wendet man sich an den Kapitän Paz. Kurz, es ist hier für mich wie beim Dominospiel: Paz an allen Ecken. Ich höre nur von Paz reden, und ich kann Paz nicht sehen. Wer ist Paz? Man bringe mir unsern Paz.«
»Geht denn nicht alles gut?« fragte der Graf, das Mundstück seines Nargilehs absetzend. »Alles geht so gut, daß man sich bei 200 000 Franken Einkünften zugrunde richten würde, wenn man das Leben führte, das wir mit 110 000 Franken führen,« sagte sie.
Sie zog an der reichen Klingelschnur, einem Wunder von Spitzenarbeit. Sofort erschien ein Kammerdiener, gekleidet wie ein Minister.
»Sagen Sie dem Herrn Kapitän Paz, ich wünschte ihn zu sprechen.«
»Wenn du glaubst, auf die Art etwas zu erfahren,« lächelte Graf Adam.
Hier muß eingeschaltet werden, daß Adam und Clementine
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