Die falsche Tochter - Roman
zufälligen Funde?«, fragte Lana schließlich.
»Nun, es gibt auch andere Ursachen, ein Erdbeben zum Beispiel. Oder man sucht systematisch mithilfe von Luftaufnahmen und Bodenproben. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Methoden, um einen Fundort zu entdecken. Aber der Zufall ist natürlich so gut wie jede andere.«
»Also ist das hier nicht so ungewöhnlich?«
Callie hielt mit dem Graben inne und blickte Lana an. »Wenn Sie hoffen, mit diesem Fund auf so viel Interesse zu stoßen, dass Sie den großen, bösen Bauunternehmer fern halten können, dann werden Sie wohl eine Enttäuschung erleben. Je mehr Bauland erschlossen und je mehr Städte gebaut werden, desto häufiger finden wir Überreste anderer Zivilisationen darunter.«
»Aber wenn der Fundort von bedeutendem wissenschaftlichem Interesse ist, könnte es doch etwas nützen, oder?«
»Höchstwahrscheinlich.« Callie grub vorsichtig weiter. »Kommt eigentlich noch ein Team hierher? Ich habe aus meinem Gespräch mit Dr. Greenbaum geschlossen …«
»Teams kosten Geld und erfordern eine Menge Papierkram.
Das ist Leos Sache. Im Moment bezahlt Dolan nur die Voruntersuchungen und die Arbeit im Labor.« Sie blickte noch nicht einmal auf. »Glauben Sie etwa, er gibt uns freiwillig das Geld für eine komplette Mannschaft einschließlich Ausrüstung und Unterkunft?«
»Nein.« Lana stieß die Luft aus. »Nein, das glaube ich nicht. Das dürfte nicht in seinem Interesse sein. Aber wir haben Geld gesammelt, und wir bemühen uns, noch mehr zusammenzubekommen.«
»Ich bin gerade durch Ihre Stadt gefahren, Ms Campbell. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass Sie mehr als ein paar Studenten mit Schaufeln und Notizblöcken finanzieren könnten.«
Lana runzelte verärgert die Stirn. »Ich nahm an, dass jemand mit Ihrem Beruf bereit sei, Zeit und Energie auf einen solchen Fund zu verwenden und hart dafür zu arbeiten, dass er nicht zerstört wird.«
»Ich habe ja gar nicht behauptet, dass das nicht der Fall ist. Geben Sie mir die Kamera.«
Lana trat einen Schritt näher an den Rand der Grube und spürte, wie ihre Sandalen tiefer in den Schlamm sanken. »Ich bitte Sie ja nur darum … Oh Gott, ist das noch ein Knochen? Ist das …«
»Der Oberschenkelknochen eines Erwachsenen«, erwiderte Callie, und Lana hörte ihrer Stimme an, wie aufgeregt sie war. Sie ergriff die Kamera und machte Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln.
»Nehmen Sie ihn mit ins Labor?«
»Nein. Ich lasse ihn hier. Ich nehme ihn nur aus dem nassen Boden heraus, damit er trocknen kann. Bevor ich die Knochen ausgrabe, brauche ich geeignete Behälter. Aber das hier nehme ich mit.« Vorsichtig zog Callie einen flachen, spitzen Stein aus der feuchten Erde. »Helfen Sie mir bitte hinauf.«
Lana zuckte ein wenig zusammen, griff dann jedoch beherzt nach Callies schmutziger Hand. »Was ist das?«
»Eine Speerspitze.« Callie hockte sich hin, holte eine Tüte
aus ihrem Rucksack, legte den Stein hinein und beschriftete die Tüte. »Vor ein paar Tagen wusste ich noch gar nichts über diese Gegend hier und ihre geologische Geschichte. Aber auch ich lerne schnell.«
Sie wischte sich die Hände an der Jeans ab und richtete sich auf. »In den Bergen gab es viel Rhyolith. Dies hier« – sie drehte die versiegelte Tüte mit dem Stein in der Hand – »sieht mir ganz nach Rhyolith aus. Möglicherweise war das hier ein Lagerplatz im Neolithikum. Aber vielleicht war es auch mehr – schließlich begannen die Menschen in dieser Zeit, sesshaft zu werden, Ackerbau zu betreiben und Tiere zu domestizieren.«
Wenn Callie in diesem Moment allein gewesen wäre, hätte sie nur die Augen zu schließen brauchen, um es vor sich zu sehen. »Sie zogen gar nicht so viel umher, wie wir früher angenommen haben. Auf jeden Fall kann ich Ihnen schon nach dieser flüchtigen Prüfung sagen, Ms Campbell, dass das hier eine kleine Sensation ist.«
»Sensationell genug, um eine richtige Ausgrabung zu finanzieren?«
»Oh ja.« Callie ließ ihren Blick prüfend über das Gelände schweifen und begann es im Geiste schon aufzuteilen. »In der nächsten Zeit wird hier mit Sicherheit niemand Häuser bauen. Gibt es hier irgendwelche Lokalmedien?«
Lanas Augen glänzten. »Eine kleine Wochenzeitung in Woodsboro und eine Tageszeitung in Hagerstown. Dort gibt es auch einen Radiosender. Sie haben die Geschichte bereits aufgegriffen.«
»Wir werden ihnen weitere Informationen geben, und dann sehen wir zu, dass die Sache landesweit in die
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