Die falsche Tochter - Roman
Waldgebiet über, in dem wilde Mimosen und Sumach wucherten. Jetzt schlängelte sich die Straße an einem Bach entlang, und die Bäume, die auf beiden Seiten standen, bildeten ein schattiges Dach.
Callie fuhr zehn Meilen, ohne einem anderen Auto zu begegnen. Ab und zu entdeckte sie weitere Häuser, und manche standen so nahe an der Straße, dass sie das Gefühl hatte, es müsse jeden Moment jemand heraustreten, um sie zu begrüßen. Die Gärten waren eine einzige Sommerpracht, voller üppig blühender Blumen.
Eine Schlange, so dick wie ein Handgelenk, kroch über den Asphalt, und ein Stück weiter sah Callie eine gelbe Katze, die im Gebüsch am Straßenrand lauerte. Während sie im Takt zu Dave Matthews und seiner Band mit den Fingern auf das Lenkrad klopfte, versuchte sie sich vorzustellen, was geschähe, wenn die Katze auf die Schlange träfe. Wahrscheinlich würde die Katze als Siegerin aus der Begegnung hervorgehen.
Als Callie um eine Kurve bog, erblickte sie eine Frau, die gerade ihre Post aus einem grauen Briefkasten holte, der am Straßenrand stand. Obwohl sie den Landrover kaum eines Blickes würdigte, hob sie geistesabwesend die Hand zum Gruß. Callie winkte zurück. Während sie weiter die Straße entlangfuhr, sang sie laut den Text des Songs mit. Nach einer Weile endete das Waldgebiet, und Callie erhöhte das Tempo und fuhr auf die Berge zu, vorbei an Äckern, einem Motel und ein paar verstreuten Häusern. Als sie sich schließlich Woodsboro näherte, wurden die Häuser zahlreicher und kleiner.
Sie hielt vor einer Ampel und entdeckte erfreut, dass es an der Ecke von Laurel Mountain und Main Street eine Pizzeria gab. Gegenüber befand sich ein Laden mit alkoholischen Getränken. Callie erinnerte sich an Leos Wegbeschreibung und bog in westlicher Richtung auf die Main Street ab.
Entlang der Straße standen hübsche alte Häuser aus Holz oder Ziegelsteinen mit blumengeschmückten Veranden. Es waren nur wenige Fußgänger unterwegs, und auch der Verkehr war mäßig. Genau wie man sich eine Kleinstadt vorstellt, dachte Callie. Im Vorbeifahren registrierte sie ein Café, einen Eisenwarenladen, eine kleine Bücherei und einen noch kleineren Buchladen, einige Kirchen, zwei Banken und verschiedene
Handwerksbetriebe, die auf schlichten Schildern für ihre Dienste warben.
Callie musste erneut vor einer Ampel halten, und als sich kurz darauf die Straße gabelte, fuhr sie rechts und folgte einem gewundenen Weg, der wieder durch einen Wald führte. Sie kam über eine Anhöhe und sah vor sich die Berge liegen. Und dann entdeckte sie die Baustelle. Sie hielt an einem Schild und las:
Wohnen am Antietam Creek
Ein Bauvorhaben von Dolan & Sohn
Callie griff nach ihrer Schultertasche und der Kamera und stieg aus. Dann blickte sie sich in Ruhe um. Ringsum erstreckte sich das Bauland, und es war offenbar ziemlich morastig, wie sie an den bereits aufgeworfenen Erdhügeln sah. Am Ufer eines Baches standen dicht an dicht alte Eichen, hoch aufragende Pappeln und Krüppelweiden. Ein Teil des Geländes war abgesperrt; dort staute sich der Bach zu einem kleinen Teich. Nach der kleinen Skizze, die Leo für sie gemacht hatte, hieß er Simon’s Hole. Wer mochte dieser Simon wohl gewesen sein und warum war der Teich nach ihm benannt?
Auf der anderen Seite der Straße entdeckte Callie ein paar verwitterte Stallgebäude, ein altes Steinhaus und einige verrostete Landmaschinen. Im Schatten des Hauses lag ein großer, brauner Hund. Er schaute zu Callie herüber und wedelte zwei Mal träge mit dem Schwanz.
»Steh bloß nicht auf«, sagte sie. »Es ist viel zu heiß für den Austausch von Höflichkeiten.«
In der Tat summte die Luft förmlich vor Hitze, Insekten und Einsamkeit.
Callie schoss ein paar Fotos und wollte gerade über den Bauzaun klettern, als sie hörte, dass sich ein Auto näherte. Es war ebenfalls ein Geländewagen, eines jener kleinen, schicken Modelle, die eher für Frauen gebaut wurden und in den Vorstädten langsam, aber sicher die Kombis ersetzten. Dieser hier war leuchtend rot und so blitzblank wie ein Vorführmodell. Die Frau, die ausstieg, wirkte auf Callie ebenso elegant und
perfekt wie ihr Wagen. Mit ihren glatten blonden Haaren und der hellgelben Hose mit passendem Top wirkte sie wie ein personifizierter Sonnenstrahl.
»Dr. Dunbrook?« Lana lächelte zögernd.
»Ja, genau. Sind Sie Ms Campbell?«
»Ja, Lana Campbell.« Sie ergriff Callies Hand und schüttelte sie begeistert. »Ich freue mich so, Sie
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