Die Falsche Tote
doch das Klingeln wiederholte sich nicht. Sie spürte Emmi in ihrer Armbeuge und konnte ihren ruhigen Atem hören. Barbro versuchte, sich zu erinnern, ob in ihrem Traum ein lautes Klingeln vorgekommen war, als es schon wieder klingelte. Doch diesmal klang es anders. Barbro schob Emmi von sich und stieg aus dem Bett. Sie tappte durch die dunkle Wohnung und versuchte, die Quelle zu orten. Noch bevor sie das Ende des Ganges erreichte, verstummte das Geräusch. Das Telefon, dachte sie und drehte sich zur Küche. Tatsächlich tauchte die Anzeige des Telefons dort alles in kaltblaues Licht. Sie prüfte die entgangenen Anrufe. Tatsächlich hatte soeben jemand ihre Nummer gewählt, jedoch nur einmal. Barbro eilte im Nachthemd zur Wohnungstür und schaltete den Monitor ein. Da stand jemand unten vor dem Haus auf dem Bürgersteig und hatte der Kamera den Rücken zugewandt. Sie wartete, doch die Gestalt rührte sich nicht und blickte den Strandvägen hoch. Barbro wurde zappelig, sie musste aufs Klo. Auf einmal wandte sich die Gestalt zum Gehen. Barbro drückte auf den Sprechknopf und brüllte ins Mikrophon.
Oskar Rosenfeldt blieb stehen und starrte am Haus hinauf. Sie rief wieder. Oskar kam näher. Es dauerte einige Sekunden, bis er die Sache mit der Kamera begriff.
»Was ist los, Oskar?«
»Du hast gesagt, ich soll mich sofort melden, wenn ich dir etwas mitzuteilen habe.«
Barbro drückte auf den Öffner und eilte ins Bad. In wenigen Sekunden erleichterte sie sich, brachte ihr Haar in Form und schlüpfte in den Bademantel. Zurück an der Tür hörte sie seine Schritte auf der Treppe.
Oskar sah mitgenommen aus. Barbro sah auf drei Meter Entfernung, dass er getrunken haben musste. Sie zog ihn in die Wohnung und weiter in die Küche.
»Schsch! Meine Tochter schläft.«
»Du hast eine Tochter?«
Barbro nickte und trieb Oskar zum Küchentisch.
»Was ist los? Woher hast du meine Adresse?«
»Ich habe deinen Vater angerufen.«
»In der Firma?«
»Na klar.«
Barbro sank auf den Stuhl. »Was ist denn passiert?«
»Ich liebe dich, Barbro.«
Sie sah ihn unbewegt an. Oskar hielt dem Blick stand. Es war sicher nicht sein erstes Liebesgeständnis, und seine Körpersprache bewies, dass dies seine erste Niederlage werden würde.
»Hättest du nicht warten können, bis du nicht mehr lallst?«
»Damit hat es nichts zu tun. Ich wusste es schon vorher.« Barbro stöhnte auf und erhob sich, um Tee zu machen. Dadurch wollte sie Zeit gewinnen.
»Warum hasst dich eigentlich dein Nachbar?«, fragte sie. Weshalb ihr gerade das einfiel, war ihr selbst ein Rätsel.
»Welcher Nachbar?«
»Der neben dir wohnt.«
»Ach, Gösta. Er denkt, ich hätte etwas mit seiner Freundin. Aber sie hat nur einmal bei mir gesessen und auf ihn gewartet.«
Barbro stöhnte wieder. Sie dachte an ihr Kopfkissen und daran, wie sie Oskar wieder aus der Wohnung bekommen konnte. Sie ließ die Teebeutel so lange wie möglich ziehen und trug dann die Tassen zum Tisch.
»Du solltest mit dem Quatsch aufhören, Oskar. Du leidest doch nur unter deinem allnächtlichen Wiederholungszwang.«
»Soso. Wie kannst du das wissen?«
»Ich bin vom Fach.«
Oskars Lächeln verbreiterte sich noch. Barbro begriff, dass sie die Flammen der Liebe dadurch nur noch mehr anheizte.
Es klingelte. Barbro sah Oskar verärgert an. Er zuckte mit den Achseln. Wieder wurde der Monitor eingeschaltet. Barbro begann zu zweifeln, ob sie wirklich aufgewacht war. Sie drückte auf den Öffner, und unten huschte Linda Cederström ins Treppenhaus.
Zwei Minuten später saß Linda keuchend am Küchentisch. Die Situation in der Küche nahm ihr für einen Augenblick den Wind aus den Segeln.
Barbro ließ zu, dass sich Lindas Augen vor Staunen weiteten und dass sich Linda eine falsche Erklärung dafür zusammenreimte, warum Barbro hier mit vom Schlaf zerzausten Haaren und im Nachthemd zusammen mit einem jungen Kerl mit vom Feiern zerzausten Haaren und einem verknitterten Oberhemd, an dem allerhöchstens noch drei Knöpfe geschlossen waren, in ihrer Küche saß, wo es doch schon auf ein Uhr zuging.
Während Linda erzählte, kochte Barbro wieder Tee. Oskar unterbrach Linda zweimal. Aus seinen Fragen hörte Barbro wieder die Ernsthaftigkeit heraus, die seine Lebensführung nur schlecht verbergen konnte. Deshalb lächelte Barbro kurz zum Fenster hinaus.
»Oskar kann ja mal im Nummernverzeichnis seines Telefonbuchs nach Amelie scrollen«, sagte sie, um sich selbst wieder auf Distanz zu bringen. »Wenn
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