Die Falsche Tote
die du dir vorstellen kannst, genau festgelegt sind. Im Gegensatz zu Satzprogrammen können aber Schreibprogramme, wie man sie im Büro oder zu Hause verwendet, diese Tabelle nicht richtig lesen oder anwenden. Und das Ergebnis siehst du hier. Solche unschönen Abstände hätte ein guter Schriftgestalter niemals festgelegt. Sieh dir nur das erste Wort an: Mag er kommen! Zwischen M und A klafft eine Lücke, aber A und G kleben aneinander.«
Malin schüttelte sich vor Abscheu. Erstaunlicherweise wirkte sie selbst lange nicht so ausgeglichen, wie sie es von ihren Buchstaben erwartete.
»Und diese Schrift stammt von einem guten Schriftgestalter?«
»Allerdings. Ein Meisterwerk. Stell dir eine halbe Million Kronen vor. Das ist der Preis, um so eine Schrift zu entwickeln.«
»Aber wie kommt es, dass wir diese Schrift sonst nirgendwo finden?«
»Große Unternehmen lassen sich oft eine eigene Schrift für ihr Corporate Design erstellen. Aber selbst, wenn nur einer sie benutzen darf, sind sie in meinen Katalogen gelistet. Das ist wirklich sonderbar.«
Henning sah Barbro mit einem gelben Tablett auf seinen Tisch zusteuern. Ihr Gesicht hatte sich versteift. Auch als sie zwischen Tagge und Leif von der Registratur hindurchschlüpfen musste, regte sich darin nichts. Das war bei ihr immer ein Zeichen, dass der Tag nicht so ergiebig gewesen war, wie sie es sich vorgenommen hatte. Henning wusste nicht, ob sie der Zwang, den Tag so effizient wie möglich zu gestalten, erst nach der Geburt von Emmi überwältigt hatte, weil er sie erst seitdem kannte. Vielleicht waren Frauen auch einfach so, da wollte er lieber nicht zu tief einsteigen aus Angst vor möglichen Erkenntnissen. So kurz nach dem Essen brachte er gerade noch die Kraft auf, um zwei, drei Zahnstocher weichzukauen.
Barbro erreichte den Tisch, nahm Platz und begann wortlos zu essen.
»Du kommst spät«, bemerkte Henning, um es noch ein wenig schlimmer zu machen.
Das klappte jedoch nicht. Barbro ließ sich nur von sich selbst nervös machen. »Was hast du gemacht?«, fragte sie.
»Bin mit Sten zur Kanzlei gefahren. Wir haben Rosenfeldt alles erzählt. Er ist schließlich der Justizkanzler.«
»Scheint auch nicht so toll gewesen zu sein, wenn du in der Kantine herumlungerst.«
Die Ermittlung war jetzt am toten Punkt angelangt. Die Motivation auch. Alles war möglich, aber nirgendwohin führte ein Weg. Es ging auf drei Uhr zu. Inzwischen waren alle Mittagsgäste gegangen, und die Italienerinnen begannen, das Büffet für die Abendschicht zu decken. Barbro sah Lasse und den jungen Dunkelhaarigen, der letzte Woche bei der Tatorttechnik begonnen hatte, durch die Glastür in die Kantine kommen. Schöpflöffel-Rosinda reichte den beiden zwei Kisten über die Theke.
»Sind die immer noch drüben im Park?«, wollte Barbro wissen.
Henning nickte. Er überlegte gerade, ob er noch einen Zahnstocher beginnen oder lieber gleich hochgehen sollte.
»Was ist aus den zweihundert Spannen geworden, um die du mit Janne gewettet hast?«
»Ist sich zu null ausgegangen. Kennst du den Baum drüben auf der Wiese?«
»Da gibt’s nur Bäume.«
»Der große, gleich nach der Treppe neben dem Lüftungsschacht.«
Barbro nickte.
»Da hing ein Toter. Gut, oder?«
Barbro schob ihr Tablett beiseite und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab.
»Jemand hat ihn kopfüber dort aufgehängt, in Folie eingepackt und gut verschnürt. Schöne Provokation. Fünfzehn Meter von der Reichskrim entfernt. Das hat es auch noch nicht gegeben.«
Henning erhob sich, um seiner Kollegin einen Kaffee zu holen. Dann erzählte er, was er während des Mittagessens alles erfahren hatte. Während Barbro am Morgen bei Wessén gewesen war, musste den Leuten, die man jeden Morgen und jeden Nachmittag am Hundespielplatz beobachten konnte, der eigenartige Schatten in der Baumkrone aufgefallen sein. Die Hunde hatten nichts bemerkt. Die hatten nichts Besseres zu tun, als sich in dem abgezäunten Carré im Kreis zu jagen.
»Die müssen auch gleich bei den Zeitungen angerufen haben. Die waren ja schneller da als die Techniker.«
»Wer ermittelt?«
»Granholms Leute.«
»Bezirkspolizei? Warum nicht die Reichsmord? Immerhin hing der Tote vor unserer Tür.«
»Könnte der Typ sein, den Gunnar sucht.«
»Wieso glaubst du das?«
»Hab mit Sten gesprochen. Sie wissen noch nichts, aber der Tote sieht osteuropäisch aus. Die Fingerabdrücke sind unbekannt.«
Hm, machte Barbro. »Da muss ja beim Täter die Absicht bestanden
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