Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
Vom Netzwerk:
Tasche stecken?«
    »Kann man so sagen. Schau es dir an.«
    Sie gingen geschlossen hinüber zum anderen Tisch, wo die Leiche des Toten lag.
    »Ihr habt ja noch nicht mal angefangen mit der Obduktion.«
    »Wir haben geröntgt«, sagte einer der Ärzte. »Da gibt es keinen Zweifel an der Todesursache.«
    Henning beugte sich über den Brustkorb des Toten. Der Körper war rot und blau verfärbt, am Kopf war er vom Hängen fast schwarz. Der Text, der mit schwarzer Farbe auf Brust und Bauch geschrieben war, war dennoch gut zu lesen:
    Er ruft. Doch keiner inmitten des unbezwinglichen Wirbels hört sein Schreien. Die Gottheit lacht des Tobenden. Sein Geprahl verstummt. In unendlicher Flut ermattend schwingt er sich nicht hinaus. Der Segen vergangener Tage zerschellt am Riff des Rechts. Und unbeklagt, ungesehen versinkt er.

38
    Dienstag, 7. August
    Lautes Reifenquietschen drang durchs Fenster und ließ Sofi Johansson erwachen. Mit geschlossenen Augen wartete sie auf den sicheren Knall. Doch der kam nicht. Stattdessen gab der Wagen Gas und brauste davon. Sie spürte die warme Sonne auf ihrem Gesicht und schlug das rechte Auge auf. In dem Blumenkasten, der die Hotelgäste davor bewahrte, aus dem bis zum Boden reichenden Fenster zu fallen, saß eine Drossel und wandte Sofi den Hintern zu. Sie lag mit der linken Wange tief im Kissen und rührte sich nicht. Auch die Drossel saß ganz reglos da in der warmen Morgensonne und blickte hinab auf die Straße. Es musste noch ganz früh sein, doch draußen hatte bereits der Morgenverkehr eingesetzt. Sofi hörte in regelmäßigen Phasen lange Autokolonnen am Hotel vorbeifahren, dazwischen herrschten Stille und das Rauschen des nahen Flusses.
    Sie erwachte immer bei Anbruch des Tages, wenn sie am Abend ein bisschen zu viel getrunken hatte. Sie hatten ein schönes Lokal gefunden und gegessen. Dann hatten sie drei Flaschen Rotwein lang fünf Fragen durchgespielt, wobei einmal Kjell und ein andermal sie mit dem Fragen dran gewesen war. Sie hatten mehrere Theorien entwickelt und in Diagrammen festgehalten. Kjell glaubte daran, dass alles auf den Vater hinauslief. Sofi konnte sich erinnern, dass sie das eifrig bestritten hatte. Zum ersten Mal hatte sie ausführlich dargelegt, was seit ihrem Besuch bei Josefins Dozentin als Theorie in ihrem Kopf Gestalt annahm. Zwischen Josefins Arbeit, die Sofi inzwischen dreimal gelesen hatte, und den Spuren in der Wohnung musste eine Verbindung bestehen. Josefin konnte kein Mittel zum Zweck sein, nur weil sie die Tochter des Justizkanzlers war. Sofi hatte Kjell seine eigenen Vorhaltungen vorgeworfen. Dass die Tochter des Justizkanzlers mit derselben Wahrscheinlichkeit Opfer eines Verbrechens werden könne wie die Tochter eines Bauarbeiters. Josefin musste selbst etwas mit der Sache zu tun haben, auf ganz inhaltliche Weise. Das war doch klar.
    Kjell hatte alles bestritten und versucht, sie mit der dritten Flasche Rotwein auf seine Seite zu bringen. Er hatte sie gewarnt und ein Dutzend Anekdoten aus seiner Vergangenheit als Ermittler aufgetischt, bei denen er oder andere irrtümlich eine Verbindung zwischen zwei Dingen angenommen hatten, nur weil sie sich im Aussehen glichen. Das sei bei Ermittlungen der häufigste und folgenschwerste Fehler.
    Sofi streckte den Arm zum Nachttisch aus und fischte nach ihrem Telefon. Es war nicht mal sieben Uhr. Dabei waren sie erst um neun im Frühstückssaal verabredet. Sie stieg aus dem Bett und trank im Bad zwei Zahnputzgläser Leitungswasser. In aufrechter Körperhaltung war der Wein wieder da. Durch die Badezimmertür sah sie, wie die Drossel sich abstieß und in den Tag stürzte. Sofi zog ihren Koffer unter dem Bett hervor und grub in ihren Sachen nach den Kopfschmerztabletten. Mechanisch schlüpfte sie in ihre Laufhose und ein frisches T-Shirt. Jenseits der Straße lag gleich der Fluss. Dorthin wollte sie. An beiden Seiten des Ufers gab es Parkanlagen, wo sie ein bisschen herumlaufen konnte.
    Sie schlenderte zwischen den Bäumen hindurch direkt zum Wasser. An der Staustufe beugte sie sich über das Geländer und hielt ihr Gesicht in das Sprühwasser. Das Tosen eines Flusses entspannt das Denken, als Värmländerin wusste sie das. Eine Viertelstunde lang stand sie da, stütze die Ellenbogen auf das Geländer und sah zu, wie sich das Wasser unter ihr neu mischte.
    Dann suchte sie sich mit ihrem Notizblock eine Sitzbank und legte eine lange Liste an, während junge Frauen an ihr vorbeijoggten. Sie zog ihr Telefon aus der

Weitere Kostenlose Bücher