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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Tief unter der Dachschräge stand ein Bett. Besonders romantisch hatten es sich die beiden nicht gemacht.
    »Berne Ahnlund?«, fragte Kjell.
    Der etwa sechzigjährige Mann sah auf. Es war vor allem das finstere Abendlicht, das ihn alt wirken ließ. Seine Hände fummelten zitternd in seiner Brieftasche.
    »Berne Ahnlund?«, fragte Kjell noch einmal.
    »Ja«, sagte Ahnlund. Auch seine Stimme zitterte.
    »Ich bin Kjell Cederström. Leiter der Reichsmordkommission und vom Reichsankläger sonderbeauftragter Vorermittlungsleiter.«
    »Ja«, sagte der Mann.
    »Wer bist du?«, fragte Kjell die Frau, die ganz sicher Amelie Heidvall war.
    »Amelie Heidvall.«
    Amelies Ruhe war vollkommen. Nach den Überlegungen, die sie hierher geführt hatten, hatte Kjell genau das Gegenteil erwartet. Warum war sie so ruhig? Nach seiner Erfahrung traten auch Richter anders auf und versuchten gleich, die Polizei juristisch unter Druck zu setzen.
    Josefin ist nicht hier, dachte Kjell, seit er das Haus betreten hatte. Er fühlte sich am völlig falschen Platz. Er setzte sich an den Tisch und verlangte von den beiden die Ausweise. So wollte er etwas Zeit gewinnen. Amelie musste aufstehen und in ihrer Tasche nachsehen, die neben dem Bett stand. Ahnlund gelang es endlich, seine Karte mit den Fingerspitzen aus der Brieftasche zu ziehen. Kjell nahm beide Papiere entgegen und studierte sie. Im Hintergrund waren Sofis Schritte zu hören. Sie schritt langsam durch das Zimmer, nahm Dinge in die Hand und stellte sie wieder zurück.
    »Er ist der Eigentümer dieses Hauses«, sagte auf einmal Amelie. »Was soll das?«
    Kjell antwortete nicht. Als er aufsah, blickte er direkt in Sofis Augen. Sie stand am Fenster im Rücken der beiden und suchte Blickkontakt. Mit der flachen Hand schlug sie lautlos auf die Faust der anderen Hand. Das war ihm auch schon klar geworden. Nur das erklärte die Reaktionen der beiden, und vor allem die des Richters.
    »Auf der Grundlage des elften Paragraphen von Kapitel 6 des Strafgesetzes lasse ich euch als Verdächtigten und als Zeugin zur Befragung dem Reichsankläger vorführen.«
    Kjell stand abrupt auf und ging zur Treppe. Unten gab er Ermin Anweisung, die beiden getrennt zu bewachen, bis die Fahrzeuge eintrafen. Ohne auf Sofi zu achten, verließ er das Haus. Nach einigen Metern hatte sie ihn eingeholt.
    Er fluchte laut und rieb sich mit den Händen die letzten Grasreste von der Hose. »Ich rieche wie ein Torfstecher.«
    »Was ist los?«
    »Was ist das für eine Ironie? Ich suche die Tochter des Justizkanzlers und finde einen Richter, der Frauen für Sex in seinem Sommerhaus bezahlt. Das ist los!«
    »Ist doch witzig«, lachte Sofi und hüpfte neben ihm über die Wiese. »Jetzt muss Rosenfeldt ihn seines Amtes entheben.«

48
    Kjell riss beherzt die Tür auf und trat in Verhörraum drei, mit nichts anderem als dem zusammengerollten Plakat in der Hand und ein paar flüchtigen Ideen im Kopf. Zuerst fragte er sich, ob der schwarze Pullover wirklich ihr gehörte. Amelie hatte ihn schon im Haus getragen. Kjell nahm ihr gegenüber Platz und rollte das Plakat auf.
    »Wir möchten alles über die Vierte Schwesternschaft von dir wissen«, sagte er.
    Amelie Heidvall schnaufte auf eine Weise durch die Nase, die der von Linda in solchen Situationen ganz ähnlich war. »Das hat nichts mit der Sache zu tun«, behauptete sie nach vier Sekunden.
    Sie war schnell im Denken, vielleicht, weil sie so entschieden war. Das hatte er ihr schon im Haus angesehen. Dass die Dinge ihr so früh klar waren, wurde ihr jetzt zum Verhängnis. Was für eine glückliche Fügung, erkannte Kjell. Weil Sofi und er so überrascht gewesen waren, einen hohen Richter zu finden, hatten sie ihre Aufmerksamkeit im Haus ganz auf ihn gerichtet. Amelie war gelassen dagesessen und hatte genau beobachtet. Und daraus die falschen Schlüsse gezogen.
    »Es ist genau umgekehrt«, erwiderte Kjell, obwohl er das noch nicht mit Sicherheit wissen konnte. »Ahnlund hat nichts mit der Sache zu tun. Ich möchte von dir wissen, was diese Schwesternschaft ist, wer dazugehört und wie viele von diesen Plakaten existieren.«
    »Vierhundert.«
    Das Plakat war anscheinend nicht so wichtig, überlegte Kjell. Wenn er doch nur diese lästige Unruhe abstreifen könnte. Amelies Haare glänzten in dem künstlichen Licht umso schwärzer. Das Schwarz war auch künstlich und hatte keine Ähnlichkeit mit dem von Sofi. Im Gesicht war sie eine strenge Schönheit, und es fiel ihr bestimmt nicht schwer,

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