Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Remy das Leben gekostet, hatten Thomas, Pierre, Michel, Tomy und Jacques sich den Reformern in St. Albans an der amerikanischen Grenze angeschlossen.
    Was den Meister Nick angeht, weiß der Leser, daß dieser sich wohl gehütet hatte, in Montreal wieder zu erscheinen, da er sein Auftreten in Chipogan nur schwer hätte erklären können. Trotz der Achtung, die er überall genoß, würde Gilbert Argall doch nicht gezögert haben, ihn wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu verfolgen. Dann hätten sich die Pforten des Gefängnisses von Montreal sicherlich hinter ihm geschlossen, und in Gesellschaft mit ihm hätte Lionel hinreichend Muße gefunden, sich seinen poetischen Eingebungen
intra muros
zu widmen.
    Meister Nick hatte also das einzige Theil erwählt, welches die Umstände ihm aufnöthigten: den Mahogannis nach Walhatta zu folgen und unter dem Dache seiner Ahnen zu warten, bis eine Beruhigung der Gemüther ihm gestattete, seine Rolle als Häuptling eines Indianerstammes aufzugeben und bescheiden in seine Expedition wieder einzuziehen.
    Lionel freilich begriff das nicht. Der junge Dichter rechnete sicher darauf, daß der Notar für immer sein amtliches Schild am Markte Bon Secours abreißen und den berühmten Namen der Sagamores bei den Huronen verewigen würde.
    Zwei Meilen von der Farm zu Chipogan, im Dorfe Walhatta, hatte sich Meister Nick seit einigen Wochen häuslich eingerichtet. Hier begann ein ganz neues Leben für den Gerichtsschreiber. Wenn Lionel begeistert war von dem Empfang, den die Männer, Greise, Weiber und Kinder seinem Patron zu Theil werden ließen – so ist es nicht genug, das auszusprechen, man mußte es vielmehr selbst sehen.
    Das Flintenknattern, das ihn begrüßte, die Ehrenbezeigungen, die man ihm darbrachte, die Freudenrufe, die für ihn ertönten, die feierlichen Reden, die an ihn gerichtet wurden, die Antworten, welche er in der bilderreichen Sprache der Phraseologie des Fernen-Westen ertheilen mußte – alles das war gewiß dazu angethan, der menschlichen Eitelkeit zu schmeicheln. Jedenfalls betrachtete der vortreffliche Mann mit bitterer Empfindung die verzwickte Geschichte, in welche er gegen seinen Willen verwickelt worden war; und wenn auch Lionel dem Dunste der Schreibstube und den staubigen Acten die freie Luft der Prairie beiweitem vorzog, wenn die Redekunst der Mahoganni-Krieger ihm dem Jargon der Rechtsbeflissenen hoch überlegen schien, so theilte Meister Nick diese Anschauungen doch nicht im mindesten.
    Das veranlaßte auch zwischen ihm und seinem Schreiber manche Auseinandersetzungen, welche damit endeten, daß Beide auf recht gespanntem Fuße zu einander standen.
    Obendrein fürchtete Meister Nick, daß er noch gar nicht am Ende dieser Prüfungen sei. Er sah schon die Huronen sich rüsten, um für die Patrioten mit in den Kampf einzutreten, ohne daß er die Möglichkeit erkannte, sich ihnen zu widersetzen, wenn diese aufbrechen wollten, wenn Johann ohne Namen sie zu Hilfe riefe oder wenn Thomas Harcher und seine Söhne in Walhatta seine Vermittelung in Anspruch nähmen. Schon jetzt schwer compromittirt, wie würde er das erst sein, wenn er an der Spitze einer wilden Völkerschaft gegen die anglo-canadische Regierung ins Feld zog! Wie konnte er dann jemals hoffen, in Montreal seine Thätigkeit als Notar wieder aufnehmen zu dürfen!
    Und doch sagte er sich, daß die Zeit am Ende ja Alles ausgleicht. Schon waren mehrere Wochen seit dem Handgemenge zu Chipogan verstrichen, und da sich dieses zu einem einfachen Act des Widerstandes gegen die Polizei reducirte, so ließ man die ganze Sache wahrscheinlich in Vergessenheit gerathen. Uebrigens war die eigentliche aufständische Bewegung noch gar nicht zum Ausbruch gekommen, und nichts wies darauf hin, daß dieser besonders nahe bevorstehe.
    Herrschte in Canada fernerhin die gewünschte Ruhe, so würden sich die Behörden jedenfalls tolerant zeigen, und Meister Nick konnte dann ohne Gefahr nach Montreal heimkehren.
    Lionel dagegen rechnete stark darauf, daß diese Hoffnung nicht in Erfüllung gehen werde. Er… er wollte seine Beschäftigung in der Expedition nicht wieder aufnehmen und je sechs Stunden von zehn trockene Urkunden abschreiben!… Nein, lieber wollte er Waldläufer oder Bienenjäger werden! Er sollte seinem Brodherrn gestatten, die hohe Stellung, welche jener bei den Mahogannis einnahm, wieder aufzugeben?… Niemals! Für ihn gab es überhaupt keinen Meister Nick mehr; es war nur noch der legitime Abkomme der

Weitere Kostenlose Bücher