Die Familie ohne Namen
letzten Theile Lionel an einen alten Helden von Cooper’s »Letzten der Mohikaner« erinnerte, zog sich dieser, da er seine Mittheilungen beendet hatte, wohlweislich zurück. Meister Nick hingegen war nicht weniger wüthend auf seinen Schreiber, wie auf alle Vornehmen des Stammes. Er… er sollte zu jener Ceremonie ganz die Mahogannitracht anlegen! Er sollte gezwungen werden, sich das Haar anders ordnen, sich aufputzen, ausmalen und tätowiren zu lassen, wie es seine Vorfahren gethan und gelitten hatten!
Und doch sah der höchst ärgerliche Meister Nick keinen Ausweg, sich den begleitenden Anforderungen seiner dermaligen Stellung zu entziehen. Und je mehr der große Tag herannahte, desto mehr quälte ihn die Frage, ob er es wagen sollte und könnte, den Blicken seiner Krieger in diesem Notaranzuge, vielleicht die friedlichste Tracht aller jener, welche die Tradition den Männern des Gesetzes je aufgezwungen, gegenüberzutreten.
Inzwischen traten – zum Glück für den Erben der Sagamores – sehr ernsthafte Ereignisse ein, welche die Pläne der Mahogannis in weitere Ferne zu rücken versprachen.
Am 23. gelangte eine wichtige Nachricht nach Walhatta. Die Patrioten von St. Denis hatten – wie im Vorhergehenden geschildert – die von dem Obersten Gore befehligten Truppen zurückgeschlagen.
Diese Neuigkeit erregte unter den Huronen laute Ausbrüche der Freude. Wir sahen schon, damals bei der Farm von Chipogan, daß ihre Sympatien der Sache der Unabhängigkeit zugewendet waren, und es bedurfte gewiß nur der passenden Gelegenheit, um sie zum Anschluß an die französischen Canadier zu bewegen.
Dieser Sieg freilich war es nicht – das wußte Meister Nick nur zu gut – der die Krieger seines Stammes veranlassen konnte, die Vorbereitungen zu dem ihm zu Ehren geplanten Feste aufzugeben. Im Gegentheile würden sie dasselbe nur mit noch mehr Begeisterung feiern und ihr Häuptling konnte dann einer Art Krönung unmöglich aus dem Wege gehen.
Drei Tage später folgten diesen guten Neuigkeiten aber die schlechten. Nach dem Siege von St. Denis die Niederlage von St. Charles.
Und als sie von den blutigen Repressalien hörten, zu denen sich die Loyalisten hatten hinreißen lassen, welche Ueberschreitungen diese begangen, wie sie geplündert, Brand gelegt, gemordet und zwei Ortschaften zerstört hatten, da konnten die Mahogannis ihre Wuth kaum noch zurückhalten. Von hier aus aber bis zu einer Massenerhebung, um den Patrioten zu Hilfe zu eilen, das war dann nur noch ein Schritt, und Meister Nick konnte fürchten, daß sie auch diesen unverzüglich thun würden.
Das legte dem Notar, der gegenüber den Behörden in Montreal schon etwas compromittirt war, die Frage nahe, ob er sich damit nicht das eigene Grab graben würde. Wenn er sich nun gar gezwungen sah, an die Spitze seiner Krieger zu treten und gemeinschaftliche Sache mit den Aufständischen zu machen? Jedenfalls konnte unter solchen Verhältnissen wenigstens von der großen Festlichkeit nicht mehr die Rede sein. Doch welchen Empfang bereitete er Lionel, als der junge Schreiber mit der Meldung kam, die Stunde habe geschlagen, um den Tomahawk auszugraben und ihn auf dem Kriegspfade zu schwingen!
Von diesem Tage an ließ es sich Meister Nick die vornehmste Sorge sein, jene kriegerischen Gelüste herabzustimmen. Wenn die Streitlustigsten kamen, um ihm zuzusetzen, daß er sich gegen die Unterdrücker erklären sollte, gab er sich die größte Mühe, weder ja noch nein zu sagen. Es empfehle sich, antwortete er etwa, nur nach reifster Ueberlegung zu handeln und erst abzuwarten, welche Folgen die Niederlage bei St. Charles haben werde… Vielleicht waren die Grafschaften jetzt schon von den Königlichen besetzt?… Und dann wußte man auch nicht, was die augenblicklich in alle Winde zerstreuten Reformer schon etwa planten, nach welchem Orte sie sich zurückgezogen und wo man zu ihnen stoßen könne. Sollten sie nicht gar ihre Pläne für jetzt aufgegeben haben, um zur Wiederaufnahme derselben eine günstigere Gelegenheit abzuwarten? Die Hauptführer befanden sich auch vielleicht in der Gewalt der Bureaukraten und wurden in den Gefängnissen von Montreal zurückgehalten?
Das waren doch recht vernünftige Gegengründe, welche Meister Nick seinen ungeduldigen Prätorianern vorführte. Diese nahmen dieselben freilich nicht so ohne Widerspruch hin. Einen oder den andern Tag konnten dieselben sich doch von ihrem Zorn hinreißen lassen, und dann mußte der Häuptling ihnen ja
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